Freitag, 28. Mai 2010
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Meistens sind es Dinge.
Oft ist es das Buch. Viel seltener, aber zugleich verstörender: Wenn es Menschen sind. Oder Lebewesen.
Zum Beispiel die Katze (oder der Kater?).
Es ist kein Verlust. Es gibt kein Wort dafür, was es ist; am ehesten könnte man sagen: Es ist die Manifestation von Abwesenheit in einem Gefühl.
Man weiß, etwas müsste da sein, alle Anzeichen sprechen dafür, dass es da ist, man kann es aber trotz quälend intensiver Suche nicht finden. Kein Verlust - Abwesenheit. Schlichtes nicht-da-sein, trotz des Wissens, dass es anders sein muss. Quälend, verstörend, schuldbeladen.
Die Schuld ist in und nach diesen Träumen übergroß, sie frisst sich fest.
Es ist nicht da, weil du es vergessen hast.

Auch unter der Maßgabe (und dem Wissen), dass es gar nicht möglich ist, ein so wichtiges Ding, ein Tier, ein Kind, einen Partner zu vergessen und damit seine Abwesenheit zu bewirken, ist das Gefühl, schuldig zu sein, übermächtig. Es ist nicht da, weil du nicht aufgepasst hast, weil du vergessen hast.

Das Buch. Das Buch, in dem alles stünde, was ich wissen und verstehen und erkennen wollte. Ein Abdruck davon auf dem Schreibtisch, eine Lücke im Buchregal, wo es stand.

Die Katze: Ein Futter- und ein Wasserschüsselchen in der Küche, eine Katzentoilette neben meiner.

Das Kind - alle Menschen fragen mich nach dem Kind. Welches Kind? Ich weiß es, aber ich komme nicht an dieses Wissen.

Der Mann, mit dem ich eben noch sprach, die Worte im Ohr, den Geruch in der Nase. Seine Sachen in der Wohnung, der Abdruck seiner Haut auf meiner.

Sie alle sind abwesend, abwechselnd. Weil ich vergesse.

Ein Traumanalytiker hätte vielleicht seine helle Freude an mir und diesen (kaum verschlüsselten?) Träumen. Mir machen sie Angst.

Wenn ich, wie heute, nach einem sehr anstrengenden Tag im Lesesessel kurz wegnicke, ist es noch schlimmer: Plastisch, nah und von dem Wissen umhüllt, dass ich träume. Und wie irrational das eigentlich ist. Dass ich Menschen nicht vergesse, kein Tier und kein wichtiges Ding vergäße.

Gegen das herzzerfetzende Schuldgefühl vermag das Wissen nichts auszurichten. Ich weiß nicht, ob ich wissen will, was diese Träume bedeuten.




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Wenn Begehren Hunger ist, ist Sehnsucht ein unlöschbarer Durst.