Montag, 7. Juni 2010
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Wenn es so richtig schön wird, muß ich ja leider immer weinen., schrieb Harry Rowohlt mal einleitend in den zusammengefassten "Pooh's Corner"-Kolumnen in Buchform.

Geht mir auch so. Weiter im Text. Nicht nur im Kino. Auch beim Lesen. Sogar beim Korrekturlesen. Ja. Jaaa.
Blase hinter den Augen sitzend nannte das meine Großmutter, als sie - christlich-bigott geprägt und lebensfeindlich noch auf diesem Planeten wandelte.

Ja, ist so. Und gut wie es ist. Allerdings frage ich mich schon, warum ich häufig nach sehr schönen Tagen/Stunden/Erlebnissen in ein Loch falle, melancholisch und krebsig werde. Und warum mir dazu selten eine Antwort einfällt, wie sehr ich auch nach innen horche, was genau da gerade wieder los ist.

Man müsste doch mal aus sich heraus treten können, das Ich als Hülle ebenso leicht abstreifen wie die luftige Kleidung derzeit. Dann die zu Boden geglittenen Schichten betrachten, aufnehmen, daran riechen und in Form ziehen, bis dieselbe klar erkennbar ist. Bis man hinter, über und neben sich gekommen ist und Dinge erkennt, die im Auge des Sturms nur um einen, in einem herumwirbeln. Bis das Unterwusste eine vernehmbare Stimme bekommt und man wispern könnte miteinander, mit sich.

Wie geht es dir, was ist los? Vielleicht käme dann etwas, auf dem man herumdenken und -fühlen könnte, statt dieser nebulösen Räume, aus denen ich meinte längst ausgezogen zu sein. Und dann könnte man anfangen zu leben. Mit sich, vielleicht.





Freitag, 4. Juni 2010
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Zur Ablenkung von Not + Elend und jammrigen Fräuleins: deftig-platt-inkorrekt Komisches, nicht jugendfrei.

Ich hab sehr gelacht.




+ Eine 1, zwei Nullen.
Manchmal sind die Dinge, nein Abende bestimmt, von dem was nicht da ist.

Menschen, die fehlen. Oder die Worte derselben. Was überhaupt fehlt in diesem kleinen Leben. Was man wünscht, ersehnt, begehrt.

Sich genau dann wieder auf die Suche zu machen nach der Version von "In dreams", die in Blue Velvet gespielt wurde und von der ich nur den ungefähren Zeitraum des Erscheinens kenne, ist wahrscheinlich nicht hilfreich.

(Aber das kenne ich ja auch. Die Woche vor dem persönlichen Jahreswechsel ist zumeist ebenso still-melancholisch-aufwühlend in meiner Seele wie die Zeit zwischen den Jahren. Dafür bräuchte es das Zwangsruhigstellen und das Signal des Körpers: "Hier stimmt was nicht", ja gar nicht. Wie ja alles irgendwann immer nur noch wieder kommt; man könnte seine Sehnsucht kultivieren nach etwas, das anders ist, ganz anders, so anders, dass man es sich nicht vorstellen konnte. Etwas, das einen, ein Jahr dann irgendwann älter oder 10 oder 15 - wen kümmerts, rausreisst aus den Wiederholungen im Kopf, im Gefühl, im Verhalten und in der Sicht auf die Dinge.)




Mittwoch, 2. Juni 2010
+ Erkenntnisse
Ich seh mit Augenklappe nicht halb so sexy aus wie Daryl Hannah.

Ich bewege mich mit nurmehr einem funktionierendem Auge unsicherer als mit einem gebrochenem Bein.

Die Bezeichnung "Gerstenkorn" ist euphemistisch, wenn das Auge von einer Schwellung umgeben ist unter einer Schwellung verschwindet, die mittlerweile Tennisballgröße hat. Die Ärztin meinte, es würde 2-3 Tage dauern, dass es aber erstmal um 500% schlimmer würde, trotz Antibiotikasalbe und -tropfen, davon sagte sie nichts. So werde ich meinen neuen Status als Arztgänger heute festigen.

Das Gefühl angestarrt zu werden, neugierig, mitleidig, ist maximal unangenehm. Plötzlich betrachtet man sein eigenes Verhalten neu.

Fazit: ich habe eine Ahnung davon bekommen, wie es wäre, halbseitig blind zu sein. Trotzdem ich mich für ziemlich zäh halte, was Schmerzen angeht, reicht das jetzt erstmal für dieses Jahr.
Ich enthalte Ihnen die Beweisfotos aus Rücksicht vor. Ich hätte doch lieber ein gebrochenes Bein.

[Nachtrag. Sätze, die man von (Augen-)Ärzten nicht hören will:
1. "Oh, das sieht aber gar nicht gut aus."
2. "Die Augenklappe dürfen Sie nicht tragen."
3. "Manche Patienten zeigen eine paradoxe Reaktion auf diese Behandlung."
4. "Gegen die Schmerzen kann man jetzt so nichts machen."
5. "Wenn es noch schlimmer wird, sehen wir uns morgen."

Besonders letzteres nötigte mir ein gequältes Lächeln ab, denn ob und was ich morgen mit diesem - mein Chef nannte es erschrocken-sarkastisch - Matschauge sehe, wird sich zeigen müssen.]




Dienstag, 1. Juni 2010
+ Abteilung: Wie Dinge passieren können, die eigentlich nicht passieren können #1
Das Fräulein sucht - im Gegensatz zur Masse der Deutschen - keine Ärzte auf. Zumindest nicht freiwillig und wenn es sich vermeiden lässt. Sehr nützlich erweist es sich bei solch Naturell, wenn man einen Drogenmischer zur Hand hat, der einem auch Verschreibungspflichtiges besorgt und man auch genügend medizinische Ahnung besitzt, zu wissen, was man sich besorgen lassen sollte. Demzufolge ist mein Ärzteschnitt auf ungefähr 2-3 Besuche per anno gesunken - da zumeist schmerztechnisch bedingt - auch meistens in Notversorgungseinrichtungen.

Wie kann es also passieren, dass das Fräulein doch zum Arzt geht?
Ich will Sie nicht weiter auf die Folter spannen: Wenn gemeinerweise ein Auge, das am Vorabend nur durch leichten Schmerz und leichtes Suppen auffällig wurde, plötzlich so zuschwillt und dermaßen jesusmäßg schmerzt, dass man nur kollegial mit den Ohren schlackern kann - zwinkern ist nicht mehr.

Langsam verliere ich den Spaß an den Zipperlein. Außerdem sieht das besch... aus, ein gebrochenes Bein hat deutlich mehr Sexappeal.




Montag, 31. Mai 2010
+
40.000 erwarteten eine 19jährige in Hannover. Ist man zynisch und ekelhaft, wenn man sich zwar für das Mädel freut, sich aber fragt, womit man 40.000 locken müsste, um sie für wichtige Dinge auf die Straße zu bringen? (Eingeschoben: Vielleicht sollte man Herrn Kids Vorschlag in Erwägung ziehen und mal fix das Grundgesetz ändern (geht für Anderes ja auch). Dann wäre Lena 1. Bundespräsidentin - vielleicht geht dann was in diesem Land.)

Indes: Das interessierte das Fräulein nur insofern, weil das feine, kleine Hotel kaum erreichbar schien am gestrigen Frühabend, mit all den Absperrungen in Hannovers Innenstadt.

Aber es gelang und schließlich stand das Fräulein nebst einer ihrer Lieblingsbegleitungen im Funkhaus und saß schließlich auch glücklich im großen Sendesaal. Der wiederum ist, abgesehen von den Schirmen oberhalb der Bühne - Entschuldigung - so unglaublich häßlich und erinnert grotesk an schlimme sozialistische Architektur, dass es ein Vergnügen ist, die Augen zu schließen und sich tragen zu lassen von der Musik.
Eine Schande hingegen, dass der Saal halbleer war; wer allerdings so bescheiden und unprätentiös auftritt wie Frank Peter Zimmermann, sich dem Rummel so konsequent verweigert und sein Ding macht, dem nimmt der gemeine Deutsche den Weltgeiger, vielleicht, sogar den Weltgeiger nicht ab.
Man hat sich ja an Blendung und Pomp gewöhnt, an Schreihälse und schicke Stargeiger/innen - ich will die alle gar nicht hören.

Ein einziges (für mich) erreichbares Konzert in Deutschland; ich hätte Herrn Zimmermann ein größeres Publikum gewünscht. Und mir Stunden um Stunden mehr mit ihm und seiner Stradivari und nicht zu vergessen seinem langjährigen, kongenialen Partner Enrico Pace am Klavier. Gross war es. Das hannoveranische Publikum (Durchschnittsalter: 65) würdigte sein extrafeines Schumann- und Hindemith-Spiel denn auch mit einer halben standing ovation. Immerhin.

Eine Kurz-Biografie findet sich hier, sehr schön beschrieben wird er hier.

In der sehr leisen und berührenden Dokumentation von 2008 "Mein Weg mit Bach" (Auschnitt: hier) sagt Herr Zimmermann: Wenn ich unruhig bin, spiele ich einen Satz aus einer Bach Solo Sonate und kehre in mich zurück und ... mehr braucht man eigentlich nicht.

Mehr als gestern brauchte das Fräulein auch nicht.

(Die zu Recht hochgelobte Einspielung der Bachschen Sonaten für Violine und Klavier der beiden ist tatsächlich der erste Tipp für alle, die sich sich dem sehr umfangreichen Œuvre von F. P. Zimmermann nähern wollen.)