Sonntag, 28. November 2010
+ Manchmal muss ja Schlager.
Wir hatten ja nüscht!, aber Katja Ebstein hatten wir (Markenzeichen: zuviel Orangegold im blonden Haar). Und die habe ich mit Erwachen der Synapsen eingeatmet, das war Standardkost.
Gerne, ganz oft lief dann: "Abschied ist ein bisschen wie sterben"
(Kein Wunder bei den Eltern, die sich dann fürderhin nurmehr 2 Monate im Jahr sahen und von denen eine Seite das so zumindest nicht wollte noch ertragen konnte.)

Das Lied könnte jetzt also gefühlmäßigtechnisch - was für ein herrlich widerliches Wort! - laufen, aber ich habe es nicht da, zum Glück.

Also packe ich weiter und weiß schon jetzt, dass meine Sehnsucht mich immer wieder hierher treiben wird; diese Menschen hier, die großartigen Menschen auch, die um mich rum sind. Und nein, das ist gut, das ist keine verkappte Berlin-ist-so-viel-toller-Manie, sondern schlicht Bindungen, die ich mehr als gewillt bin zu halten. Und so, wie ich Sehnsucht nach fremden oder alten Orten habe, werde ich Sehnsucht nach Berlin haben, werde Dinge vermissen, vielleicht, die es in Hamburg nicht gibt, werde mich nach der Vertrautheit des Schokoladens sehnen, wenn ich allein in irgendeiner Kaschemme lande am Hafen und mich frage, was ich da mache. Und dann werde ich mich an die unzähligen Male erinnern, als ich das in Berlin auch schon dachte. Und irgendwann, vielleicht, wird es sich richtig anfühlen und gut.

Sehnsucht ist nicht heilbar und wie der Lebensmensch aus Wien immer gerne sagt: "Egal, wo du bist - dich hast du immer dabei".
Und das, was ich suche, die Orte, die Menschen, das in den Menschen - das verzeichnet keine Karte, auch nicht StreetView.

So wird es also sein und bange machen gilt nicht.



Freitag, 9. Juli 2010
+ Abteilung: Alten Eigenen Sprüchen misstrauen
Wäre es wirklich langweilig, wenn es manchmal einfacher wär?

[Endlosschleife heute.]




+ Abteilung: Erwachsen tun werden #1-10
#1 Akzeptieren, dass man sich (manchmal) entscheiden muss.
#2 Nicht durch Passivität, Ängstlichkeit oder Unentschlossenheit die Entscheidung sich selbst herbeiführen lassen.
#3 Akzeptieren, dass Entscheidung A manchmal eben auch nur "Nicht B" bedeutet.
#4 Seinen eigenen Entscheidungen trauen, weniger zaudern, zweifeln, zagen. (Insgesamt diese Z-Wörter reduzieren, widerliches Gelump.)
#5 Nicht bereuen; kein fragen: "Was wäre wenn?".
#6 Akzeptieren, dass man tatsächlich nicht immer alles haben kann.
#7 Sich selbst auf die Synapsen hauen, wenn sich ein kindisch-trotziges: "Warum denn nicht?" zu Punkt 6 einschleicht.
#8 Mal probehalber die gestrig-abendliche Frage der Lebensmenschin im Kopf spazieren führen: "Wo wärst du gern in 10 Jahren?"
#9 Sich nicht um eine Antwort mit "Im Hier und Jetzt leben"-Geseier drücken, weil es eben darum nicht geht.
#10 Entspannt bleiben. Emotional/geistig.

[Ich hab schon immer gewusst, dass das eine Herausforderung kreuzblöde Einrichtung ist, dieses Erwachsen werden.]




Montag, 5. April 2010
+
Der von mir sehr verehrte Herr Blake war ja nicht immer düster-apokalyptisch, visionär, manchmal meint man, hatte er einfach nur den Schalk im Nacken.

William Blake: The Clod and the Pebble

Love seeketh not Itself to please,
Nor for itself hath any care;
But for another gives its ease,
And builds a Heaven in Hell's despair.

So sang a little Clod of Clay,
Trodden with the cattle's feet:
But a pebble of the brook,
Warbled out these metres meet.

Love seeketh only Self to please,
To bind another to Its delight:
Joys in another's loss of ease,
And builds a Hell in Heaven's despite.

Dazu passt sehr gut der hintersinnige, schalkhafte Anti-Folk der Terrordactyls, deren Scheibe hier grad läuft und die mich vor ein paar Monaten im Schokoladen sehr begeistert haben. Wenn Sie Juno gesehen haben, ist Ihnen das hier nicht unbekannt.
Falls nicht, sollten Sie das nachholen - kleiner feiner Film.




Donnerstag, 11. März 2010
+
Zwischen Hurt, Hold on und Into each life some rain must fall ist es ganz schön anstrengend. Aber ich gebe mir Mühe. Zur Abwechslung mal mit mir. Auch erst auf die Nase gebunden bekommen müssen, wie empathisch man mit den Seelchen anderer ist und wie unbarmherzig mit sich selber.

Das gibt Stoff für etliche Stunden Reflektion. Mal vom Selbstmitleid abgesehen, dass einen ja mal überfällt, gestehe ich mir selbst vieles nicht zu, was ich bei anderen problemlos vereinen und verzeihen kann. Und das, obwohl ich mich meilenweit entfernt von (Selbst-)Kontrolle oder aber Perfektionsanspruch wähne. (Wie will man das Gewusel auch kontrollieren?)
Es ist ein Kampf, immer noch, nach so vielen Jahren. Gegen das Gefühl So-sein-zu-müssen um geliebt zu werden. Nein falsch - bemerkt. Und respektiert.

Was hielt mich neben Menschen, die sich nicht für mich interessierten, wo ich um Aufmerksamkeit (Liebe) gebettelt habe wie ein kleiner Hund*, was neben Menschen, neben denen ich meinte sterben können ohne Notiz, weil sie viel, viel zu beschäftigt waren mit ihrem Sein, ihrem Leiden und die nur um sich selbst kreisten? Ja, die Erfahrung. Man wiederholt, was man kennt.
Ich bin es leid, mich auch, manchmal.

Es gibt Zeiten, da scharren sich diese Erkenntnisse zutraulich um mich und gewähren kleine Wahrheiten und endlich Wahrhaftigkeit mit sich selbst. Aber diese Zeiten sind gefühlt schwer erkämpft und abgerungen.

Und ja, vieles ist durchgetropft und hat sich verfestigt. Ich umgebe mich nach Möglichkeit nicht mehr mit Egozentrikern, weil mir diese wesensfremd sind, die Schnittpunkte emotionaler Art viel zu dürftig; ich bin ein Menschenmensch. Ich brauche echte Menschen um mich rum, manchmal - nicht immer, und dann will ich, dass sie frei und offen und so ehrlich wie nur möglich sind. Und ich will zuhören und mich mitnehmen lassen auf die Reise in jemanden.

Und auftauchen daraus und jemanden als das erkennen, was er ist, ohne Scham oder Angst - wenn er mich lässt.

Das sind Glücksgefühle, wie das äußerst seltene, herbeigesehnte Gefühl des Fließens, im Fluss sein, sich endlich mal nicht als Außerirdischer in dieser Welt fühlen, nicht als Ver-rückter, sondern als Mensch im Hier da sein und akzeptieren, was alles noch um einen ist, liebevoll, gelassen und geschehen-lassend.

Zum Fließen gehört das Ruhig-sein, Nichtwollen, Aufnehmen - das verhält sich deutlich ähnlich wie beim Golf oder von mir aus auch Billard; je mehr man es will, desto weniger geschieht es. Erst wenn man lockerlässt, alles Wollen vergisst im Kopf und im Körper kann etwas fließen. (Nein, Sie befinden sich hier nicht in einem Esoterik-Blog). Und wenn - wenn man mal diesen seltenen Zustand erreicht hat, sich eins mit sich und der Welt und den Menschen, die einen umgeben zu fühlen, dann - erst dann weiß man auch, wie bekloppt das Hinterherrennen nach Umwichtigem ist, das Ärgern über Belangloses - das sich selbst durch Inneres die Welt vergällen. Das ist kurz, aber ich habe meine kleinen Einblicke gehabt und spüre, fühle dem immer noch nach.

(Ich will leider noch zu oft so sein, wie ihr mich wollt, aber ich will nicht mehr wollen. Nicht so.)
Ich formuliere gerade an einem Elektrobrief und stelle erleichtert fest, dass ich grad nichts sein will. Nur ich.



Dienstag, 9. März 2010
+
Sonnenschein, Wasser, Möwen, ein feiner, frischer Kaffee, ein Käsebrot und eine schöne Aussicht: Erster Vorhang meines neuen Dramoletts: "Mes pauses-repas sont plus belles que vos jours."



Und über Käsebrot und Kaffee gelugt, ahnt man auch, wie schön das erst wieder im Frühling-Sommer-Herbst werden wird.



Meine Mutter bärmelte jetzt: Mausi Kind, nicht auf die kalten Steine setzen!, ich aber sage: Pah! Lieber ein heißes Herz und ein eisekalter Stein, als umgekehrt!




+
Ganz kurz festgehalten:
Die kleine, zarte Frau, die mich schonmal verzaubert hat, spielt wieder in Berlin.
Jesy Fortino, alias Tiny Vipers.
Wer minimalistischen Folk und langsame Zärtlichkeit (wahlweise auch andersherum) mag, sollte sich morgen Abend in die Sophiensäle nach Mitte begeben. Lieblingsband Joy Division, Lieblingsautor Murakami, erzählt sie hier . Immerhin 1 von 2.



Montag, 8. März 2010
+
Notes to myself:
Die Mühe-Austellung endet ganz bald.
In der alten Nationalgalerie werden die kompletten Amalfi-Skizzen von Blechen ausgestellt.
George Grosz. Korrekt und anarchisch gibt's noch ne Weile in der Akademie der Künste.
Das Bauhaus zeigt zeitgenössisches, japanisches Produktdesign: Katachi - Die leise Form aus Japan.
Der großartige Jeff Bridges spielt einen abgehalfterten Typen und singt! Crazy heart läuft schon, also sputen.
Am Dienstag macht Stephan Serin ebenfalls Liebe statt Drogen im Wohnzimmer Schokoladen Mitte.

Der Spiegel, dem man in der Hinsicht nicht zuviel zutrauen darf, zerrupft David Sanborns Auftritt in Hamburg fein in der Luft. Aber man muss ja mal nüchtern feststellen: Für 65 ist der Typ einfach zu schnuckelig gutaussehend, um wahr zu sein. Passt zu seinem belanglosen, aalglatten Geblase.
Heavy note: Endlich mal rüber in's Museum Fluxus gehen nach der Arbeit! Gibt's jetzt schon ne Weile, Hergottsakrament!



Montag, 1. März 2010
+
Matt Stuart, street photography

Schön, skurril, aufmerksam. Blenden- und Perspektivenspiel.

WHO ARE YOUR PHOTOGRAPHIC INFLUENCES? Garry Winogrand, Joel Meyerowitz, Robert Frank, Henri Cartier-Bresson, Leonard Freed and Tony Ray-Jones

Ich hätte ja geschworen, es war dieser geschätzte Kollege, aber gut.