Donnerstag, 8. Dezember 2011
+ Männer, die nicht ahnen, welch Glück sie haben, mich nicht zu kennen
Nach einem, spätestens zwei Liedern bin ich ja immer sofort bereit, ihn zu heiraten.

Durch den Hafen wehen wir,
zwei Blatt recycletes Papier.
Ja, wir werden uns wieder füllen
mit all den prächtigen Farben,
die unsere Einsamkeit umhüllen
(und all die hässlichen Narben).

Der Himmel leuchtet in Schwarz und in Blau.
Er schmückt sich mit Sternen,
so als wolle er niemals wieder Grau
und hässlich werden.
Schrei mich an, wenn du magst.
Lach mich aus, wenn du willst.

Aber ich liebe es,
wie die Erde sich dreht
und der Mond dann auf einmal
hell und einsam über uns steht.
Ich bin Freund von Klischees
und von funkelnden Sternen
und ich mag dich sehr, sehr gern.

Mit der Linie 62
nach Finkenwerder und zurück
(und weiter und immer weiter).
Dieses Lächeln steht dir prächtig.
Ich könnte mir das ewig anschauen,
und zum Glück wird es breiter und breiter.
Lach mich aus, wenn du magst.
Schrei mich an, wenn du willst.

Aber ich liebe es,
wenn sich der Schiffsmotor dreht
und der Wind uns beim Fahren
um die Ohren weht.
Ich bin Freund, Freund von Klischees
und von Elbfähren
ja und dich mag ich sehr, sehr gern.


Oder mich wenigstens zu unterwerfen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen und seine willenlose, an den Lippen hängende Gefährtin zu werden.
Wenn man es Recht bedenkt, ist das Glück manchmal beidseits und gerecht verteilt.

[Gisbert zu Knyphausen | Ich bin ein Freund von Klischees und funkelnden Sternen]



Mittwoch, 10. März 2010
+
Gerade so gedacht: Das wird doch hier auch wieder nur ein besseres Befindlichkeitsblog, wie es das letzte war.
"Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
Wer stört sich daran? Im Zweifel finden es zufällig lesende Menschen schlicht uninteressant. (Oder die Bocksprünge überfordern selbst zugeneigte Menschen, aber das ist ja auch ein bekanntes Thema.)

Befindlichkeiten: Hier läuft gerade Anna Ternheims grossartiges Cover : Shoreline

ever since I was eight or nine
I've been standing on the shoreline
always waiting
for something lasting
loose your hunger, you loose your way
get confused and you fade away





Sonntag, 7. März 2010
+
Gerade beim entspannten Abwaschen und Musiklauschen gedacht:

Manche mögen mich ja für wunderlich halten, dass ich von Liedern, die ich liebe, so ziemlich jede Version versuche zu finden und somit auch mal die vermutlich größte Sammlung von "Somewhere over the rainbow"-Versionen diesseits von Oz hatte (vor zwei Festplattentoden leider) - aber ich, ich weiß warum.

Allerdings gibt es auch Lieder, die es in zig und zig Versionen gibt, die alle leise zurücktreten, wenn die eine erklingt.

Wie ihm genau bei der Stelle:

But for now, love, let's be real;
I never thought I could act this way
And I've got to say that I just don't get it.
I don't know where we went wrong,
But the feeling's gone
And I just can't get it back.


die Stimme (fast) wegbricht, das ist so drauf, das braucht keiner mehr versuchen.

Allerdings hat der große Mann einige Cover geliefert, die kaum zu erreichen sind:
Bridge over troubled waters habe ich auch nie schöner und eindringlicher gehört, als in der Version mit Fiona Apple.

[Johnny Cash: If you could read my mind - American V: A Hundred Highways]



Samstag, 6. März 2010
+ Schwere Kunst
Schön war der kleine Freitagsausflug heute. Die Sonne schien nach Kräften, obgleich sie meine klammen Finger beim Kameragefummel kaum zu erwärmen mochte. Die Kamera mag mich nicht mehr, dachte ich, und dann - despektierlich: hätte ich bloss die analoge mitgenommen. Aber dann könnte ich in der momentanen Ermangelung eines Entwicklungsräumchens, eines Vergrößerers und eines Dia-Scanners auch nichts vorzeigen.
Ach, was alles fehlt. So bleiben nur die here so called documentary shots, nichts Feines.

Aber - die Zeichen



mehren sich,



man muss sie nur



sehen wollen. Als Halb-Skorpion bin ich durchaus empfänglich für Rätselhaftes und Geheimnisvolles.



Auch wenn es - mit Verlaub, Schicksal - etwas plakativtt um die Ecke kommt.

Aber manches bleibt rätselhaft,



das ist tröstlich.

Und dann stehe ich wieder dort,



an dem einen Ort meines Sehnens, vor dem besten, schönsten, großartigsten Buchladen der Welt den ich kenne.
Und ich bin well prepared: Nur Bargeld in der Tasche, ein Limit im Kopf, zu entspannt für einen Frustkauf.

Drei Stunden später, es ist stockfinster, stehe ich wieder vor der Tür und sichte meine Beute Käufe.



Niedlich machen sie sich aus vor dem Schaufenster. Und wenn ich bedenke, was ich alles hätte kaufen können mögen, war das ein kluger Schachzug notwendiges Übel, sich selbst in diesem Suchtladen zu reglementieren.
Trotzdem bleibt die Frage - und es wird nicht wärmer: Wie gefühlte 10kg Buch nach Hause bringen? Nun denn die Bahn, die man erahnen kann über diesem Foto (das sind keine Lampen, sondern eine vorbei-/drüberfahrende S-Bahn)



wird es tun.

Und dann endlich daheim. Die Schätze - was wiegen sie wohl? Nicht emotional, nein real.



Man sieht - das Fühlen ist bei mir nicht soweit vom Realen entfernt. //Blödsinnsspruch

Und wer hat die Hauptschuld? Klar: Dieser Bursche Nennen wir das KInd beim Namen - dieses Monster hier:



Satte 4,5 kg, in Worten: viereinhalb Kilogramm - in meinem Lesesessel nimmt er sich noch ganz manierlich aus, bis man entdeckt: Er ist aufgeschlagen breiter als dieser.



Wie soll man das anschauen, lesen?


Die anderen neuen Schätzchen:



Note für den nächsten Besuch: Sowohl Geld als auch Gewichtslimit setzen. Den Tragerucksack mitnehmen. Es mal durch den ganzen Laden schaffen, ohne eines der Limits erreicht zu haben, ergo: Nicht immer in der Fotoabteilung versacken!


Aber trotzdem: Schön, neue Mitbewohner zu haben, handverlesene. Unschön, dass alle Freunde, denen man seine Freude antun mitteilen möchte, nicht zu Hause sind. Ich mag nicht mit Anrufbeantwortern sprechen, ich will eine warme Stimme im Ohr.



Dienstag, 2. März 2010
+ Hölzken und Stöcksken und alte Dinge
Noir Désir gehört, sich erinnert, dass dieses unglaublich intensive, poetische Lied von einem meiner großen Helden ist. Leider finde ich keine gesungene Version im Internet.
Aber wenn man schon bei ihm ist, an solchen Tagen, muss man auch dieses hören.

Die Qualität ist mäßig, mich haut es trotzdem jedesmal aus den Schuhen.

(...) Im Laufe der Zeit geht alles, alles davon. Man vergisst die Leidenschaften, man vergisst die Stimme ganz tief drinnen, die einem die Worte der Armen zuflüsterte: Komm nicht zu spät nach Hause und vor allem, sei nicht kalt. (...)
(Achten Sie auf Ihre Zeit. Und was sie nimmt.)

[Noir Désir, Des armes | Léo Ferré, Avec le temps]



+
Das war ein schöner Tag.
Kleine Dinge: Ein langer Spaziergang, Schneeglöckchen am Rande des Weges, ein stürmischer Wind, der einem mild den Kopf verweht, ein Mensch an der Seite, mit dem man nach einem halben Leben immer noch - oder wieder - so viel zu reden hat, dass es heraussprudelt förmlich, ein paar Sonnenstrahlen, ein feines Gefühl im Bauch und darüber.
[Danke Leben. Muss auch mal.]



Samstag, 27. Februar 2010
+ Nüchtern
Nichts Halbsteifes mehr als Brandzeichen.
Und dann feststellen, wie man sich einrichtet im Nebeneinanderhergehen, nicht Miteinander, die hartnäckig pochenden Zweifel wegdrängt- man hat es doch ganz hübsch.
Nein.

Müde und satt waren wir. Ich auch - ermüdet vom Anrennen gegen Gleichgültigkeit und das-immer-gleiche-Gesicht und das Schweigen. Wer bist du, dass ich mir meine Leidenschaft so gründlich weggebogen habe, zurechtgestutzt habe auf dir Erträgliches? Und wer ich?

Die Male, wo es richtig weh tat, wo einen die Liebe zerrissen und zerfleischt hat und man doch voneinander lassen musste, weil Liebe nicht immer reicht, man sich schwor - danach, nie wieder, die Male waren es wohl. Nicht dieses Mal, wo kein bißchen Brennen und Ziehen und Reißen zurückbleibt, nur dieser leicht bittre Geschmack am Gaumen, den ich jetzt mit einem Schluck Rioja wegspüle. Es ist schon gut - ich will nur endlich wieder leben. Auch wenn es mich zerreißt.

[Laut: Mr. Cash plays Don't think twice, it's allright]



+
Those who restrain desire, do so because theirs is weak enough to be restrained; and the restrainer or reason usurps its place & governs the unwilling.
And being restrain'd it by degrees becomes passive till it is only the shadow of desire.


[William Blake: The Marriage of Heaven and Hell]



Dienstag, 23. Februar 2010
+
(...)
Nie war mehr Anfang als jetzt,
Nie mehr Jugend oder mehr Alter als jetzt,
Nie wird es mehr Vollkommenheit geben als jetzt,
Oder mehr Himmel und Hölle als jetzt.

Drängen und Drängen und Drängen –
Immer der zeugende Drang der Welt.
Aus dem Dunkel treten Gleichwertige einander entgegen, immer Stoff und Wachstum, immer Geschlecht,
Immer die Verknüpfung der Identität, immer Unterscheidung, immer ein brünstiges Leben.

Es weiter auszugrübeln ist nutzlos. Gelehrte und Ungelehrte fühlen, daß es so ist.

Gewiß wie die sicherste Gewißheit, lotrecht in den Säulen, wohlgefügt in den Balken,
Stämmig wie ein Roß, zärtlich, stolz, elektrisch,

Ich und dies Geheimnis – hier stehen wir!

Klar und rein ist meine Seele, und klar und rein ist alles, was nicht meine Seele ist.
(...)

[Walt Whitman: Song of myself]