+ Schwere Kunst
Schön war der kleine Freitagsausflug heute. Die Sonne schien nach Kräften, obgleich sie meine klammen Finger beim Kameragefummel kaum zu erwärmen mochte. Die Kamera mag mich nicht mehr, dachte ich, und dann - despektierlich: hätte ich bloss die analoge mitgenommen. Aber dann könnte ich in der momentanen Ermangelung eines Entwicklungsräumchens, eines Vergrößerers und eines Dia-Scanners auch nichts vorzeigen.
Ach, was alles fehlt. So bleiben nur die here so called documentary shots, nichts Feines.

Aber - die Zeichen



mehren sich,



man muss sie nur



sehen wollen. Als Halb-Skorpion bin ich durchaus empfänglich für Rätselhaftes und Geheimnisvolles.



Auch wenn es - mit Verlaub, Schicksal - etwas plakativtt um die Ecke kommt.

Aber manches bleibt rätselhaft,



das ist tröstlich.

Und dann stehe ich wieder dort,



an dem einen Ort meines Sehnens, vor dem besten, schönsten, großartigsten Buchladen der Welt den ich kenne.
Und ich bin well prepared: Nur Bargeld in der Tasche, ein Limit im Kopf, zu entspannt für einen Frustkauf.

Drei Stunden später, es ist stockfinster, stehe ich wieder vor der Tür und sichte meine Beute Käufe.



Niedlich machen sie sich aus vor dem Schaufenster. Und wenn ich bedenke, was ich alles hätte kaufen können mögen, war das ein kluger Schachzug notwendiges Übel, sich selbst in diesem Suchtladen zu reglementieren.
Trotzdem bleibt die Frage - und es wird nicht wärmer: Wie gefühlte 10kg Buch nach Hause bringen? Nun denn die Bahn, die man erahnen kann über diesem Foto (das sind keine Lampen, sondern eine vorbei-/drüberfahrende S-Bahn)



wird es tun.

Und dann endlich daheim. Die Schätze - was wiegen sie wohl? Nicht emotional, nein real.



Man sieht - das Fühlen ist bei mir nicht soweit vom Realen entfernt. //Blödsinnsspruch

Und wer hat die Hauptschuld? Klar: Dieser Bursche Nennen wir das KInd beim Namen - dieses Monster hier:



Satte 4,5 kg, in Worten: viereinhalb Kilogramm - in meinem Lesesessel nimmt er sich noch ganz manierlich aus, bis man entdeckt: Er ist aufgeschlagen breiter als dieser.



Wie soll man das anschauen, lesen?


Die anderen neuen Schätzchen:



Note für den nächsten Besuch: Sowohl Geld als auch Gewichtslimit setzen. Den Tragerucksack mitnehmen. Es mal durch den ganzen Laden schaffen, ohne eines der Limits erreicht zu haben, ergo: Nicht immer in der Fotoabteilung versacken!


Aber trotzdem: Schön, neue Mitbewohner zu haben, handverlesene. Unschön, dass alle Freunde, denen man seine Freude antun mitteilen möchte, nicht zu Hause sind. Ich mag nicht mit Anrufbeantwortern sprechen, ich will eine warme Stimme im Ohr.



und hier gibt es auch nur kalte sätze ins auge, schöne "foto lovestory"

Ja, das muss wohl Liebe sein; Sie haben das sehr schön kaltschreibend dargebracht.

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Den "Bücherbogen" kenne ich auch. Der ist toll. Leider hätte ich meine Schätze ja immer gleich 300 km weit schleppen müssen. Bildbände können einen mit ihrem Gewicht wirklich in die Knie zwingen, aber was macht man nicht alles, für die Kunst... Sieht nach einem gemütlichen Wochenende aus auf diesem Sessel da.

Bange machen gilt nicht, ich habe die früher 800 km weit geschleppt/gefahren, als ich noch außerhalb des Reiches wohnte.

Gemütlich wird es, wenn auch nicht (nur) auf diesem Sessel. Morgen ist ja mal wieder Bagage-Tag, das ist auch gemütlich, aber anders.
[Das Wort "Familienbande" hat einen Beigeschmack von Wahrheit., um mal aus meinem reichen Kraus-Schatz zu schöpfen, den haben wir noch nicht mal gestreift! ]

Den Sonntag hab ich mir für die Schätzchen reserviert, ja - es sei denn, die Sonne scheint ....

Na ja, ist ja nicht so als lebten wir in Hamburg auf dem Land. Zwei, drei Bücher kann man auch hier kaufen. Andererseits habe ich von meinem letzten Wien-Besuch auch den halben Koffer voller Bücher mitgebracht - aber da darf man in die Antiquariate nun wirklich nicht reingehen. Verloren ist man.

Den Satie hatte ich in ihrem Regal schon erspäht, das Ars moriendi kenne ich nicht, sieht sehr interessant aus. Halten Sie die Fackel hoch am Familientag. Ich muß heute aufräumen ("Herr Kid räumt seine Wohnung z'samm"), damit ich am Tag des Herrn ruhen kann.

Hören Sie mir mit Wien auf, kein Wort. Einer meiner Lebensmenschen wohnt ja dort und ich schaffe es nur mit drastischen Maßnahmen, von dort nicht verarmt wegzufahren. Und Sie haben Recht, Hamburg bietet da auch einiges - wobei ich da Nachholbedarf habe.

Ich wohnte ja nun wirklich 4 Jahre am Rand der Zivilisation, in der gräßlichen Stadt S., wo man tatsächlich gefragt wird, ob man wieder in's Reich wolle, wenn man die Lieben in Berlin besuchte. Solange ist die wechselvolle Geschichte ja auch noch nicht her. Und dahin musste man die Kunst wirklich schleppen, da hatte sich's mit Kunst.

Räumen Sie schön auf, ich werde die Fackel hochhalten; zu meinem Glück entstamme ich ja einer völlig verkorksten, plebejischen Büchersippe, da fliegen schon mal Karlsens oder Kurtchens Aphorismen durch die Räume, wenn es hoch her geht.

Ins Reich kam ich
während meiner Kindheit einige Male, wg. innerfamiliärer Verschickung. Große Abenteuer waren das, die grenzüberschreitenden Maßnahmen mit der Tante «ins Reich». Wir hätten zwar auch mit dem betriebseigenen Crèmeschnittchen fahren können. Aber im Bus lief man nicht Gefahr, daß das Teilchen wegen Butterschmuggels konfiziert wurde. Von diesen Ferienaufenthalten zurückgekehrt, bekam ich jeweils lange Zeit keine Butter zu essen, da ich's jedesmal an der Galle hatte, weil die Tante mir immer reichspräparierte Brote schmierte, in denen man die Zähne sah. Fette Zeiten waren das in der Nähe des Reichs.

Im sogenannten Erwachsenenalter kam ich immer wieder nochmal hin. Aber nur der Kunst wegen. Ein Freund selig leitete das dortige Museum, das ich im übrigen nicht nur seinetwegen sehr mochte. Die Zeit danach machte ich dann allenfalls noch einen Abstecher, wenn ich im Faux Mouvement war. Überhaupt geht's dort doch etwas exceptioneller zu. Zivilisierter?

Es ist ja nicht alles schlecht. Und ja - Metz. Natürlich. Das habe ich geliebt. Allein St. Etienne hat mir viele schöne Stunden beschert.
Das Faux Mouvement auch, dort war ich allenfalls aber 3 Mal.

Gestern Abend, beim gemütlichen Nach-Abendessen-Gespräch, meinte jemand, er kaufe nur Käse, der nicht riecht und der große Löcher hat (keine Blutsverwandschaft). Da dachte ich wieder - etwas wehmütig -an die Zeit außerhalb des Reiches, als man zum Einkaufen kurz zum nächsten großen Supermarkt in ein Land mit Kultur fuhr und sich zwischen kilometerlangen Käseregalen verlor.

Aber, das ist bei mir nicht mehr rauszukriegen: Die Nähe zu Orten (und möglicherweise Menschen) mit Kultur, adelt das Land dort nicht. Allerdings: Meiner Begeisterung für Marodes, Sterbendes - Industriekultur konnte ich dort oft hemmungslos nachgeben.

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Ich schaue in dieser mir sehr vertrauten Gegend gerne sitzend auf die arbeitende Bevölkerung. Eigentlich fühle ich mich ja auf der anderen Seite des Platzes wohler, bei den Apo-Opas eben. Aber dort habe ich nicht den freien Blick auf den Bücherbogen – in den ich immer hinmuß, wenn ich in der Stadt bin, weil's dort eben auch andere als Photobücher gibt (was befindet sich denn an Altem da hinter der tollen Mexikanerin, Fritz Kühn und Bruce Cratsley?).

Sie halten mich ja ganz schön auf Trab, Herr Jean.
Genau in Blickrichtung dieses Bildes befinden sich:


ein bildschönes Buch zu einer faszinierenden Austellung in Köln.
[Stundenbücher - Auch etwas für unseren Herrn Kid37, der grad die Tageszählung wiederentdeckt hat.]

+

ein feines Buch über Jazzplatten-Cover von Blue Note Records.

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Das Buch zu einer Ausstellung in Brügge, 2002: Jan van Eyck und der Süden, die ich besucht habe.

+

Ein Bildband zum jüdischen Museum.

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Die Noten zum Wohltemperierten Klavier, Teil 1.


Del chat noir a dada von Erik Satie, mit Faksimiles.

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Zeichnungen von Henri Cartier-Bresson, sehr fein.


[Man erkennt deutlich, dass diese Bücher im provisorischen Unaufgeräumtes-Kunst-Regal stehen. Aber das wird sich vor meinem nächsten Umzug leider auch nicht ändern, das Schlafzimmer ist voll mit Belletristik.]

Trab?
Zwar meinte ich die dicken fetten braunen Bände, aber mit dem nun Präsentierten bin ich (vorerst) mal gesättigt. Alles Beute von heute? Ordentlicher Etat.

Wo befindet sich denn überhaupt das Antiquariat? Vom Eingang aus links? Ich war da noch nie, ich bleibe meistens vorne hängen und muß dann schnell wieder raus, weil es mir sonst den Etat sprengt.

Klassisches Missverständnis beidseits mehrfach; ich versuche mal aufzudröseln ...

Nein, die Bücher in den Kommentaren sind natürlich nicht von gestern, nur die vier aus dem Beitrag - das hätte meinen Etat und mein Gewichtslimit ja um ein Vielfaches gesprengt. Von denen sind aber auch zwei oder drei aus dem Bücherbogen vor längerer Zeit.

Das moderne Antiquariat befindet sich im letzten Raum vom Eingang links. Da kriegt man dann Schätzchen für kleines Geld, das Monster war auch von da. Ich glaube aber, es war weniger der Ursprungspreis, der die Leute abschreckte, sondern schlicht das Format. Richtige antiquarische Bücher bekommt man im Bücherbogen ebenso wenig wie Belletristik - das ist auch gut so, sonst wär ich komplett verloren.
Die Kinderbuch-Ecke lohnt übrigens auch.

Sind wir jetzt verständnistechnisch wieder auf Linie? :)

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