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Immer wieder darauf zurück geworfen werden. Dass es nicht geht, dass man es nicht kann. Dass man immer noch nur nachahmt. Mechanismen, feine Strukturen, innere und äußere Vorgänge erkennt, sich einen Reim darauf macht - so macht man das - es dann versucht. Es funktioniert nicht; etwas fehlt, der Mechanismus setzt sich nicht in Gang ohne dieses Ding, dieses Modul, das ich nicht kenne, nicht benennen kann und das mir fehlt, so lange schon.

Lebensuntüchtig, streng genommen vielleicht sogar schon an der Grenze zu gehört entmündigt. Es gehört so viel mehr dazu zu leben, als nur zu lieben, zu fühlen und zu denken und zu atmen.

Woher man das andere nimmt, findet, steht nirgendwo. Stände es, ich würde jedes Buch lesen, jede Seite umblättern, langsam - bis ich es fände.

Das menschliche Leben beginnt jenseits der Verzweiflung, schrieb der große, kleine Mann mit dem trägen Auge. Was aber, was, wenn die Verzweiflung begründet ist in einem elementaren, persistierenden Gefühl des Nichtlebens, des nur so tun als ob?
Die Psychologie nach Erikson erklärt u. A., dass ein früh gestörtes oder später zerstörtes Urvertrauen die Ursache für Misstrauen, Bindungsangst und viele, viele andere Auffälligkeiten ist. Und eben auch nur für das Gefühl, nicht in diese Welt zu gehören, nicht willkommen zu sein; eine Störung der Selbstwirksamkeitserwartung auch. (Linksammlung dazu: Hier.)

Heer über Hegel:

Es ist Selbstvertrauen des denkenden und des glaubenden Menschen, ist Seinsvertrauen, ist ein Wissen und Glauben, daß im Abgrund des Seins und der Schöpfung, dort, wo „Gut“ und „Böse“, Bitteres und Süßes, wo Freude und Schmerz, Leben und Tod noch miteinander und ineinander hausen, alles gut ist. Tutte le cose son buone, alle Dinge sind gut, sagt der Italiener. Whatever is, is right, was immer ist, ist recht und richtig, sagt der Engländer („Was vernünftig ist, ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“, wir werden uns mit diesem berühmten vielumstrittenen Bekenntnissatz Hegels aus der Vorrede zu den „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ noch zu befassen haben, hier aber ist seine letzte mentale Grundlage). Deus impar gaudet, Gott hat Freude am Ungeraden, sagt der Lateiner. Beeten scheev hot Got leev, ein bißchen schief hat Gott lieb, sagt der Schleswig-Holsteiner. Gott schreibt gerade auf krummen Linien, bekennt der Osten, der Araber, der Portugiese im gleichlautenden Spruchwort. „Mir kann nix g’schehn“, sagt der Steinklopfer Hans bei dem Wiener Volksdichter Anzengruber. Die Mystiker sehr verschiedener Kulturkreise und Religionen bekennen dieses archaische Identitätsbewußtsein, mit dem sich wissenschaftlich in unserer Zeit im deutschen Raume befaßt haben Eduard Spranger [...] und der Historiker Otto Brunner [...]. Dieses Urvertrauen in einen letzten guten Sinn aller Dinge, aller Geschehnisse wurde von den Frauen und Männern vieler Geschlechter und Generationen seit grauen Vorzeiten bezeugt nicht in Rede und Schreibe, wohl aber in einem Austragen und Ertragen von scheinbar unüberwindlichen Gegensätzen, Unterschieden und Widersprüchen. [...] Alles Leben verlief in Krisen: Geburt, Tod, Feste, Kriege, Ernte und Mißernte, Plünderung, Krankheit, Überfall, Hunger, Freude: bestanden wollte dieses widerspruchsreiche Leben werden, ertragen, ausgetragen wie ein Kind, nüchtern, in einer harten Liebe.

Ich vertraue den Menschen. Dem Leben. Meinethalben auch einem Schicksal oder Gott. Ich misstraue nicht euch. Sondern mir.
(Dass Vertrauensseligkeit von einigen Wissenschaftlern als Kompensation für mangelndes Urvertrauen angesehen wird, unterminiert manchmal jede meiner Wahrnehmungen. Und ist ein Grund, sich noch weniger zu vertrauen. Traurig, aber wahr.)


[Jean-Paul Sartre: Die Fliegen | Friedrich Heer: Hegel, der Philosoph des siebenten Tages]




Ach, bloß nicht so monokausal denken, dafür ist der tiefe schwarze Brunne, in den alles fällt, doch zu komplex gebaut. Man hat andere Bedürfnisse, sicher, läuft sicher auch eher auf Grund als unbeschwertere Boote. Aber möglicherweise sind die eben auch nur mit Luft befüllt. Diese Bücher da, werfen Sie die alle weg. Den Sartre zuerst. Dieses Gedenke immer. Ich lese jetzt nur noch Donna Hay, die Wahrheit liegt nämlich auf dem Grunde eines Topfes. Das Ende des Regenbogens: meine Küche.

Bücher wegwerfen? Herr Kid, bei aller Liebe.
Monokausal, Gedenke - ja, geben Sie's mir ruhig. Wenn Sie mir jetzt noch erklären, wie man vom Denken wegkommt, sind wir ein Stück weiter. Sich in der Fastenzeit mit Kochbüchern beschäftigen, grenzt auch eher an Masochismus, das kann's ja nicht sein.

Aber wenn Ihre Küche tatsächlich das Ende des Regenbogens ist, (kein Beweis ohne Foto), dann harre ich einer Einladung für die Nachfastenzeit. Sie kriegen dann auch einen Schokoladenkuchen, mit echter Schokolade. Da gibt's dann ja auch nichts mehr zu denken.

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