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Zwei Mal. Zwei Mal ins Leben. Zwei Mal in die Sprache.
Die sonnigen Stunden, so viele, das Licht, die Wärme. Und Menschen. Worte, leise, schön wie ein Märchen.
Die dunklen Stunden, wenige, in denen man erwacht und Dämonen auf der Bettkante kichern, flüsternd Gift träufeln, Worte von Angst und Schmerz, von niemals und von zu spät.
Es gibt nur wenig lichte Worte, die einen retten könnten und noch weniger Dinge. Eine Haut, die einen der Welt versichern würde, wenn man sie sacht berührte. Ein warmer, ruhiger Atem, der Schlaf verspricht. Ohne möchte man sich davonstehlen, an einen Ort, an dem es nur still ist. Keine Sprache, keine Menschen.
Es ist ein Kampf in diesen Stunden, immer noch und wird es bleiben; er muss gewonnen werden. Ein drittes Mal wird es nicht geben.
Das Licht kommt am Morgen ins Leben. Immer.
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Es ist vollbracht.
Unter Schmerzen, wie ich betonen muss. Nur 100 Bücher, so viel, was keinen Platz mehr findet oder schweren Herzens getauscht wird. Ich neige mein Haupt in Demut vor all den großartigen Büchern, die mich prägten und besonders vor denen, die ich vergaß.
Credo: Pro Schriftsteller nur ein Buch (wiewohl viele, sehr viele für eine Reihe von Büchern stehen, die man liebt), keine Erzählungen, keine Stücke; Prosa - Romane fast alles. Unvollständig natürlich. Zuviel hat sich überlagert.
100 Bücher, die das Fräulein liebt, nennt sich das. Weil sie wichtig waren für mich. Weil ich versunken bin. Weil ich niedergerungen wurde von Gedanken und Phantasie. Weil ich gelacht und geweint habe. Weil ich die Sprache geliebt habe. Weil es mit jedem dieser Bücher noch schöner wurde zu lesen. Weil ich alle diese Bücher wieder lesen würde und es bei vielen auch tue. Leichtes, Schweres, Klassiker und fast Unbekanntes - keine Wertung, alphabetisch. Jedes einzigartig und für mich wertvoll. Zusammen: Eine wunderschöne, verrrückte, einzigartige Familie.
Viel Spaß denen, die gern in anderen Regalen schmökern. (Kein Stöckchen, an diesem verschluckte man sich. Glauben Sie es mir.)
1. Andre Aciman: Ruf mich bei deinem Namen
2. Tschingis Aitmatow: Der weiße Dampfer
3. Ingeborg Bachmann: Malina
4. James Baldwin: Giovannis Zimmer
5. Jurek Becker: Jakob der Lügner
6. Thomas Bernhard : Wittgensteins Neffe: Eine Freundschaft
7. Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns
8. Max Brod: Die Frau, nach der man sich sehnt
9. Italo Calvino: Wenn ein Reisender in einer Winternacht
10. Albert Camus: Der Fremde
11. Elias Canetti: Lebenserinnerungen (Die gerettete Zunge/Die Fackel im Ohr/Das Augenspiel)
12. Truman Capote: In Cold Blood
13. Louis-Ferdinand Céline : Reise ans Ende der Nacht
14. Jean Cocteau : Kinder der Nacht
15. Colette: Mitsou
16. Joseph Conrad: Herz der Finsternis
17. McCarthy Cormac : Die Straße
18. Simone de Beauvoir: Alle Menschen sind sterblich
19. Miguel de Cervantes Saavedra: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha
20. Philip K. Dick: Blade Runner
21. Denis Diderot: Rameaus Neffe
22. Fjodor Michailowitsch Dostojewski: Die Dämonen
23. Friedrich Dürrenmatt: Durcheinandertal
24. Umberto Eco : Die Insel des vorigen Tages
25. Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo
26. Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel
27. E. M. Forster: Maurice
28. Max Frisch: Montauk
29. William Gaddis: Die Erlöser
30. André Gide: Die Verliese des Vatikans
31. Iwan Alexandrowitsch Gontscharow : Oblomow
32. Alexander Grin : Purpursegel
33. Knut Hamsun: Hunger
34. Peter Handke: Der kurze Brief zum langen Abschied
35. Jarosl Hasek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
36. Eckhard Henscheid: Die Trilogie des laufenden Schwachsinns (Die Vollidioten /Geht in Ordnung - sowieso -- genau --- /Die Mätresse des Bischofs)
37. Wolfgang Hildesheimer: Tynset/Masante
38. Friedrich Hölderlin: Hyperion
39. Victor Hugo: Die Elenden
40. John Irving: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
41. Uwe Johnson: Mutmaßungen über Jakob
42. James Joyce: Ulysses
43. Franz Kafka: Der Process
44. Nikos Kazantzakis: Alexis Sorbas
45. Ken Kesey: One Flew Over The Cuckoo’s Nest
46. Victor Klemperer: Curriculum vitae
47. Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras
48. Mario Vargas Llosa: Das Paradies ist anderswo
49. Thomas Mann: Der Zauberberg
50. Sándor Márai: Doch blieb er ein Fremder
51. Javier Marias: Der Gefühlsmensch
52. Gabriel Garcia Márquez : Die Liebe in den Zeiten der Cholera
53. Frank McCourt : Die Asche meiner Mutter
54. Carson McCullers: Das Herz ist ein einsamer Jäger
55. Ian McEwan : Der Zementgarten
56. Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt
57. Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon
58. Gustav Meyrink: Der Golem
59. A. A. Milne: Winnie-the-Pooh
60. Karl Philipp Moritz: Anton Reiser
61. Harry Mulisch: Die Entdeckung des Himmels
62. Adolf Muschg: Das Licht und der Schlüssel
63. Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften
64. Vladimir Nabokov: Fahles Feuer
65. Peter Nadas: Buch der Erinnerung
66. Flann O'Brien: Auf Schwimmen-zwei-Vögel
67. Juan Carlos Onetti: Der Tod und das Mädchen
68. George Orwell: 1984
69. Amos Oz: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
70. Marcel Pagnol: Die Wasser der Hügel
71. Connie Palmen: I. M. (Ischa Meijer, In Margine, In Memoriam)
72. Georges Perec: Die Dinge
73. Fernan Pessoa: Das Buch der Unruhe
74. Marge Piercy: Gone to Soldiers
75. Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
76. François Rabelais: Gargantua und Pantagruel
77. Erich Maria Remarque: Zeit zu leben und Zeit zu sterben
78. Joseph Roth: Der blinde Spiegel
79. Henry Roth: Nenn es Schlaf
80. José Saramago: Die Stadt der Blinden
81. Jean-Paul Sartre: Die Wörter
82. Arno Schmidt : Das steinerne Herz
83. Frank Schulz: Hagener Trilogie ( Kolks blonde Bräute/Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien/Das Ouzo-Orakel)
84. Winfried G. Sebald: Austerlitz
85. Hubert Selby: Last Exit to Brooklyn
86. George Simenon: Brief an meinen Richter
87. Antoni Skármeta: Mit brennender Geduld
88. John Steinbeck: Von Mäusen und Menschen
89. Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt
90. Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman
91. Adalbert Stifter: Der Nachsommer
92. Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts
93. Boris Vian: Der Schaum der Tage
94. Heimito von Doderer: Die totale Familie
95. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen : Der abenteuerliche Simplicissimus
96. Ödön von Horváth: Ein Kind unserer Zeit
97. Kurt Vonnegut: Schlachthof 5
98. Robert Walser: Jakob von Gunten
99. Jozef Wittlin: Das Salz der Erde
100. Carl Zuckmayer: Als wär’s ein Stück von mir
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Manchmal sind es Worte, oft nicht. Oft ist es Musik, manchmal nicht.
Manchmal ist es beides. Und doch, die Worte sperren sich - neapolitanisch mein Gott!
Wer hören kann, der höre zu, sang mal die Caven -
hören Sie mal und schlafen Sie gut.
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Immer wieder, immer noch einmal und immer weiter, bis es sich festgefressen hat: Man muss sich freuen (können und wollen). Über kleine Dinge. Über Nicht-Selbstverständliches. Über Nächte, in denen eine alte Mauer Geschichten wispert im Dunkeln. Über ein Lächeln beim Lesen einer Widmung. Und über die Dinge, die nicht klein, sondern manchmal die Welt sind, in solchen Momenten: Menschen, Vertrauen.
Wenn man dann um halb sechs Uhr morgens zwischen denen steht, die die Nacht übrig ließ und erfüllt von den Dingen einen Bahnsteig hinabläuft und wieder rauf, dann kann man es merken. Wie die Freude ein sanftes Luftpolster unter den Füßen ausbreitet, wie leicht der Schritt, wenn nicht auf dem Boden. Die Skeptiker wenden ein, dass man nicht schwebt, sondern übermüdet ist.
Ich sage:
Wer das nicht kann, sich nicht freuen kann, einfach so, ohne morgen, gestern und nur hier und jetzt, wird nie schweben, sondern immer nur übermüdet durch diese Welt gehen.
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Manchmal
fehlen einem die Worte. Weil man sie alle weggeredet hat in einer sehr anstrengenden Woche, mit viel, sehr viel Reden.
Dann muss ich ins Warme, ins Wasser, immer. Kerzen, Ruhe, Wein, vielleicht ein leises Gespräch, oft nicht.
Das Weiche, Beständige, in dem man sich auflösen möchte, Teil werden, das immer und einzige dann, das beruhigt, glättet, über die wilden Wogen des Daseins sanft fließt und sachte alles mit fortnimmt. Die ungezählten Gedanken, die guten, die schlechten, die zuviel Gefühle, das sich Fragen, alles. Am Ende ist man in mehr als einem Sinne gereinigt. Und entlässt das jetzt schwere Wasser in die Dunkelheit, leichter.
Und dann kann man schlafen, leichter. Schlafen Sie gut.
lorilo am 10. April 2010, 02:46
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