Mittwoch, 3. März 2010
+ Gedankensplitter
Erstaunlich:
Wie sich das Bild eines Menschen in einem wandeln kann, wenn die Bekanntschaft sich um eine Ebene erweitert.

Wieviel das Gehirn auch extrapoliert, wenn man nur die Schriftebene hat oder eben auch nur die des Telefons. Oder Bild, man kann da ja einsetzen, was man will.
Ich bekomme meistens zu hören, dass ich jünger aussehe, als meine Stimme klingt, was immer man da interpretiert. Wahrscheinlich klingt sie verlebter, verruchter als ich aussehe als ich bin.

Andersherum malt mein Gehirn offenbar viel mehr als andere, ich stelle mir den Menschen nach einem Schnipselchen immer schon - durchaus ungewollt - mit Ton, Farbe und Geruch vor und liege damit naturgemäß oft vor oder hinter der Realität. Durchaus auch krude das abzugleichen.

Weitere banale Erkenntnis: Menschen, die ich am Telefon schon schlecht ertrage, machen es mir schwer, sie zu mögen. Ich bin ein Stimmenmensch und nehme es persönlich übel, wenn jemand Kreischiges, Volldialektisches oder sonstwie Unangenehmes zu Ohr bringt.

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Note to myself: Mal wieder beim nächsten Kilometerstand einen Realitätscheck vornehmen. Fühle mich nicht ungut, aber nicht ganz eingenordet.

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Heute zweimal angelächelt worden, selbst ein Dutzend Mal ein Lächeln verschenkt.

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Note2: Kein Bullshit-Bingo während web-Konferenzen mehr spielen, wenn man das giggeln nicht voll im Griff hat. Oder Telefon stumm schalten.

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Dauer-Note: Die Menschen da abholen, wo sie sind. Behutsam sein.

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Nicht im Weg herumstehen in Türen träumen. [Via kid37]

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Note3: Den Anwurf "Watt ne geile Muschi eyh!" nicht mehr perplex unkommentiert lassen, wenn man seinen Mini-Neffen in spe dabei hat. Ergo: Vollpfosten nicht ignorieren, wenn die das als Bestätigung wahrnehmen könnten.[Sich mit Derartigem nicht beschäftigen.]



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„Du musst mir helfen“, sagtest du. „Ich habe dir auch geholfen. Weißt du noch damals, als ich an deinem Bett saß?“
Ja, denke ich leise. Wie könnte ich vergessen? Alle Schutzmechanismen, das Verdrängenkönnen mit den Tabletten runtergeschluckt – ehrlich wollte ich schon sein, wenigstens am Ende, mit mir, allein. Ruhig und ehrlich wollte ich sein und nein, du hast mir nicht geholfen.

„Du musst mir helfen“, sagtest du, „ich verstehe das alles nicht, du bist damals gegangen ohne ein Wort.“ Monatelanges Reden, Sezieren, Zerteilen, Gespräche, die tiefe Schleifspuren auf meiner Seele ließen – ohne ein Wort?

„Ich bin krank“, sagtest du, „mir geht es schlecht, du musst mir helfen“ und ich wollte nicht mehr müssen.

K. sagt, „… du bist uns ja fast abhanden gekommen, damals.“ und ich bin still und sitze ganz dicht am Wasser und denke: Ich wollte doch gar nicht wirklich weg, nur von dem Gefühl zu ersticken, langsam zerdrückt zu werden von Schuld und Hass und dem, was von außen vielleicht mit Liebe zu verwechseln ist und den Vorwürfen, der Angst, den Manipulationen, den Erpressungen – wieder und wieder und wieder, dieser bodenlosen Wut und dem emotionalen Rasen, dem Aufgefressenwerden bei lebendigem Leib, und diesem „helfen müssen“ – nein, ich wollte gar nicht weg, ich wollte nur leben. Ob man manchmal dafür sterben muss, fragten sich schon andere.
Und K. fängt leise an zu singen: „wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten", und dann bin ich drin, im Wasser.

Und immer wieder fällt mir dieser Tage der Buchtitel ein und ich denke: Was musst du mich gehasst haben, um mich so zerstören zu können. Oder nur nicht geliebt. Wie sehr du mich danach gehasst hast, weiß ich, ich habe den Hass in roten Schlieren von mir abgewischt.

„Du hast mir weh getan“, sagtest du danach, „ich habe dich so geliebt und du hast mich verlassen, du hast mich umgebracht, also habe ich dir auch wehgetan. Du musst mir helfen.“ In deiner Welt war das tatsächlich alles so klar. Bist du nicht mir, bist du nicht mehr.

Es blieb nur ein Riss und der ist geheilt; medizinisch selten, aber er ist geheilt.

Und auch ich bin geheilt. Ich würde dir gern sagen: Ich wünsche dir, dass du lebst. Und glücklich wirst, aber du würdest Zynismus vermuten oder fragen, wie das geht, das Leben.

„Bitte hilf mir, bitte ruf mich an. Wir haben so viel zu bereden, ich habe so viele Fragen.“, schreibst du vor ein paar Tagen. Ich kann dir keine davon beantworten.

So bleibe ich stumm und denke laut und klar: Nein. Ich kann dir nicht helfen und konnte es nie. Das Buch habe ich weggeworfen und ich werde leben. So gut ich es kann, aber ich werde leben.


[Jerold J. Kreisman: Ich hasse dich - verlass' mich nicht. Die schwarzweisse Welt der Borderline-Persönlichkeit | Ton Steine Scherben: Wenn die Nacht am tiefsten]