Wir lagen im Dunkeln auf der Chaiselongue in diesem riesigen Atelier; ich erzählte den einzigen Witz, den man auf diesem Möbel erzählen kann:
Weißt du, warum Barschel bekleidet in der Badewanne gefunden wurde? … weil die Bild-Reporter Chaiselongue nicht schreiben konnten.
Er hat gelacht, dieses tiefe, brummige, durch Mark und Bein gehende Dröhnen. Es waren meine letzten Wochen in S. Ich wollte nur weg aus dieser Stadt, einen Schnitt, einen ganz tiefen, sauberen; zu viel war hier passiert in den Jahren, zu sehr hatte ich mich dieser Stadt und den Menschen entfremdet.
„Was wirst du machen?“, fragte er. „Ich weiß nicht genau“, sagte ich, „erstmal atmen und wegkommen, dann atmen und ankommen – irgendwo.“
„Ich wünsche dir Glück dafür“, sagte er, „und Kraft. Und vergiss uns nicht, hier, in der furchtbaren Stadt; man lässt immer auch etwas zurück.“ Ich drehte mich im Dunkeln um und sagte: „Ich wünsche dir auch etwas“, und er fragte: „Was?“.
„Etwas ganz Schönes. Und Großes. Und rund muss es sein.“ Und er fragte wieder: „Was?“
„Eine Insel, mit zwei Bergen“, sagte ich und da konnte er lachen. Und weinen endlich.
Wir sahen uns nicht mehr vor meiner Abreise, mich zog es danach nicht mehr zurück in diese Stadt; ich wurzelte langsam wieder. Nach Monaten rief ich aus meiner neuen Wohnung im Atelier an und erfuhr, dass er schon aufgebrochen war zu seiner Insel.
Heute Abend werde ich mein Glas Wein auf ihn erheben wie jedes Jahr und ich werde einen Jim Knopf- Clip anmachen. Und dann werde ich lachen, leise. Und weinen.
Man braucht nur eine Insel
allein im weiten Meer
Man braucht nur einen Menschen,
den aber braucht man sehr.
[Mascha Kaleko]