Samstag, 27. März 2010
+ Einfach so. Liebe auch.
[Wieder mal ein offline-Text von der Zugheimfahrt heut Nacht; man ist versucht, die Seite abzulichten und zu sagen, da - lest. Aber das kann ich ja kaum lesen, was ich manchmal hastig so zu Papier bringe. Also transkribieren wir, ich.]

Ein schöner Abend. Theater, danach wo was trinken, reden. Seltene Konstellation, die M., die große Schwester und ich, das Quasi-Nesthäkchen, quasi deshalb, weil der Abstand marginal ist und man mit Nesthäkchen anderes verknüpft, als mir zuteil wurde.

Ja, es war schön, kaum falsche Töne, angenehm mit der Schwester, die man manchmal verzweifelt liebt, aber dann oft nicht genau weiß, warum. Man ist sich wesensfremd häufig, das pragmatische, das nicht einfühlen-können-wollende früher hat uns lange, lange Jahre getrennt. Ihre patente Art damals, mir auf existenzlöschende Fragen (so kam einen das ja vor) einen halbsteifen Halbsatz hinzuwerfen, oft genug war es nur: "Man muss es nur wollen." Meine wirklich zutiefst ernste Frage, ob man nicht etwas wirklich wollen kann und es trotzdem nicht schafft, dafür etwas zu tun, sich aufzumachen, weil vielleicht mehr hinter dem "nicht-tun" steckt, als Faulheit oder Angst oder Schüchternheit, hat sie nie beantworteten können.
Und dass sie das Lämmchen, mich, jemanden der fast ganz immer ungrausam und kaum zornig zu kriegen ist, tatsächlich mal zu der Aussage getrieben hat, dass wir wohl nichts miteinander zu schaffen hätten, wenn uns nicht Blut einte, ja, das ist latent da.

Ich bin anders, sie ist auch anders, merkwürdigerweise ändern sich die Menschen um mich herum (zu ihrem Besseren) oft und mehr, als ich meine, dass ich mich ändere. Aber das ist subjektiv und völlig verworren, vernebelt von den Jahren und den Geschichten mit den Menschen und der seltsamen Sicht auf sich selbst auch.

Ein schöner Abend.
Und dann, dann greift sie plötzlich in ihre Tasche und sagt: "Ach, ich hab ja noch was für dich" und ächzt die Tasche neben sich auf den Stuhl. Ende achter Monat, da ist alles im Weg und schwer. Und dann hat sie es und stellt es hin und dreht es in meine Richtung.



Und ich gucke und blinzele und dann merke ich schon, wie ich wieder ganz nah am Wasser stehe. "Ich hab doch keinen Geburtstag" , bring ich noch raus.
"Einfach so. Weil du damals gesagt hat: Das muss ich haben."

Pause.

"Jetzt hast du's", sagt sie leise und ich will raus, das ist mir zuviel, ich kann diese Gefühle nicht verhandeln, ich will das nicht und dann denke ich: Doch, genau das hast du gewollt, als du noch nichts wirklich fühltest, endlich, immer wieder, die volle Breitseite und jetzt hast du es doch. Aushalten und gerade durchgehen, sagt der Lebensmensch immer.
Es geht nicht um die Bücher, die hätte ich sowieso gekauft irgendwann, irgendwo, es ist diese Geste, die mich wehrlos macht und hilflos: Ich habe an dich gedacht, ich sehe dich und du bist auch in mir.
Das ist - auch nach mehrmaligem Erleben - immer noch verstörend, schockierend schön, man möchte weglaufen. Aber ich bleibe; sie ist doch gespannt und hofft, dass ich mich freue, und ich freue mich doch und die Tränen, die aufsteigen wollen, das sind gute Tränen und nein, das ist jetzt nichts für diesen Augenblick.

Also sage ich fast gar nichts, nur leises, und nehme sie lange in den Arm und denke: Dass sie das so kann, einfach so, dafür auch, liebe ich sie.