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Lass uns schonmal um die Häuser ziehen,
schonungslos und ohne Hintersinn.
Willenlos und immer mittendrin,
an den ersten warmen Tagen in Berlin.
[Wer kann dazu schon nein sagen. Einen schönen Frühlingsabend, allseits.]
doloris am 18. März 2010, 21:49
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Real life, 0.9 (beta)
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Frühling + Sonne + Knutschen = ?
Einige werden jetzt sicher auch an Paris denken. So, jetzt schließen Sie mal bitte alles, wo Sie ratzfatz eine überteuerte Reise buchen könnten und lassen sich
mitnehmen. Vorsicht, das ist nur dem Träumen zuträglich, nicht dem Arbeiten. (Und alte Rechner könnten an ihre Leistungsgrenze kommen.)
[Via
Innergewöhnliches, der in seinem Blog auch sehr schöne Bilder zeigt.]
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Ist einem ja fast schon unangenehm, dass man wirklich immer recht hat, aber machen Sie mal das Fenster auf und schauen raus. Nichtwahr, plötzlich pulst wieder ein wenig Leben durch die abgestumpften, müden Glieder. Sag ich doch, es kommt ja alles ganz bestimmt.
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Aufbruchstimmung im Hause des Fräuleins
Mein Horoskop hatte mir ja für den 15. diesen Monats wahrhaft Unglaubliches vorausgesagt; der Tag der Tage, ach was -
der Tag der Tage schlechthin, der beste seit Menschengedenken für Beruf und Karriere.
Es lief ganz gut heut, dochdoch. Aber weder rief ein Headhunter an, um mich mit einem obszön hohen Gehalt aus dem Laufrad zu locken, noch wurde ich von der Straße weggecastet für eine internationale Filmkarriere. Und dabei hatte ich sogar das allerallerallererste Mal meinen traumschönen, sündteuren neuen Übergangsmantel an. Jawoll.
Übergangsmantel.
Heute war nämlich in anderer Hinsicht
der Tag der Tage.
Das Fräulein erwachte, sah gleißenden Sonnenschein und riss
glücklich das Schlafzimmerfenster auf. Und wurde von einem Schwall eisiger Luft wieder unter die Decken gejagt. Und genau
da passierte es; die winterschlafverträumte Rebellin erwachte, Querulantenfräulein und Revoluzzerfräulein standen Rücken an Rücken und entschieden:
Genug ist genug!
Ich will es nicht mehr hören, ich will es nicht mehr lesen, ich will es nicht mehr haben.
Fertig. Kleiderschrank auf, Strickmützchen, Schals und Handstulpen rein, sämtliche Winterpullover nach hinten unten; Schuhschrank auf, die Gefütterten und die
Schneebergwanderstiefel rein. Ab jetzt herrscht hier Frühling; jetzt wird gefastet wie jeden Frühling, die
vielmehr-Energie dadurch wird in den Frühjahrshausputz gesteckt und im Sand verbaggert beim Ballhinterherhechten; jetzt wird jemandem die Tür und die Fenster weit geöffnet, mit dem man im Freien knuschen kann, bis die Lippen klingen und die Knospen knospen; jetzt werden Schiffe klar gemacht und in See gestochen - weil jetzt,
genau jetzt ist Frühling.
Und
jetzt kommen Sie.
Wie: 1 Grad heute und Schneeregen? Wie: Kalt? Wie: Winterdepri? Wenn Sie Ihren Camus gelesen haben, wissen Sie, dass in Ihnen ein unbesiegbarer Sommer wohnt.
Und dann: Laut - so laut es die Ohren vertragen und die eigene Stimme hergibt:
I don't give a damn
For the same old played out scenes
I don't give a damn
For just the in betweens
Honey, I want the heart, I want the soul
I want control right now
you better listen to me baby
talk about a dream
Try to make it real
you wake up in the night
With a fear so real
spend your life waiting
for a moment that just don't come
Well, don't waste your time waiting
Idealerweise die Version von "Live in New York City", wenn Sie die grad nicht finden, nehmen Sie
diese hier . Sie mögen Springsteen nicht?
Uninteressant -
die Hautsache ist der Effekt, tschikketschikketschikketschikketschikk, das wusste schon Lilo Pulver.
(By the way ist der Boss einer der besten Live-Künstler überhaupt. Wenn Sie das Lied mal in 30 Live-Versionen gehört haben, die alle großartig sind auf ihre Art, wissen Sie, was ich meine.)
Spätestens wenn Sie dreimal
For the ones who had a notion,
a notion deep inside
That it ain't no sin
to be glad you're alive
I wanna find one face
that ain't looking through me
I wanna find one place,
I wanna spit in the face of these badlands
mitgesungen haben, werden Sie merken, dass der Schritt energischer wird, der Körper sich strafft, Winter entweicht, die Hormone rauschen und sich ein Lächeln auf Ihre Züge schleicht.
Wenn mich jemand in
meinem Frühling nochmal mit seinen Wetterläunchen oder -befindlichkeiten anmuffelt, dann werde ich ihm so gewaltig frühjahrsgerecht den Winter austreiben, dass es blüht.
Ich gehe jetzt ein wenig auf den Straßen tanzen. Ob mir nicht kalt sein wird - ohne Mütze, Schal, Handschuhe und nur mit einem
Übergangsmantel? Das Mäntelchen heißt
Sonnenkind - noch Fragen?
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Wie man sich machmal innerlich krümmt, weil man das kurze Gefühl hat, in der Mitte durchzubrechen. Kein Zusammenbrechen, nein, ein kurzer, scharfer Schmerz, Seelenäquivalent zum Rücken. Und wie man dann langsam den Rücken wieder durchstreckt, vorsichtig ein paar Schritte tut, bis es von selbst und wieder rund läuft.
Als wäre da ein großes, hässliches Tier in mir, dass immer nur darauf wartet, mal kurz seine Pranken in meine Seite zu schlagen. Und immer wieder leises Erschrecken, wie wenig es manchmal braucht, wie nichtig die Anlässe, wie klein die Dinge, die das Tier hervorstürzen lassen. Und nein, das bricht einen Rücken nicht, gerade gehen wollen wir und uns halten.
Manchmal denke ich, ich bin zu dicht an mir dran. Nackt. Zu ungefiltert rauscht da manchmal alles durch die Räume. Vielleicht muss ich ein paar von den Schutzmauern wieder aufbauen, die ich so mühsam abtrug.
Und das Erstaunen der Menschen manchmal, wenn man sie ganz dicht in die Nähe lässt, die einen immer stark wähnen. Wer ist das denn? Am stärksten und am dauerhaftesten bin mit jemandem und für jemandem, trotz oder gerade wegen der Unverhülltheit. Mit mir bin ich immer nur nackt in diesen Räumen.
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Der Tankstellenmitarbeiter beobachtet mich, wie mein Blick suchend über die Zeitungen streift. "Hat sich ausjebildet", sagt er. Ich gucke irritiert, er ergänzt: "Bild und BZ sind aus".
Trotz der Tatsache, dass ich Sonntags mittags schon mal lässiger durch's Viertel laufe, das ist ja nun echt ... also.
"Ich suche die Zeit und verstehe das mal nicht als indiskutablem Anwurf.", sage ich. "Häh?", sagt er und ich denke:
Hergott, jetzt redest du schon so geschwurbelt, wie du schreibst, bisschen aufpassen, jetze. Zeitfach ist voll, irgendwie auch klar.
+++
Im Magazin ein schönes, leises Interviwe mit Patti Smith, umrahmt von Bildern und Anekdoten zu dieser Zeit. Sie redet über ihr Leben, ihre Lieben, ihre Toten.
Selten so ein starkes Bedürfnis gehabt
Because the night zu hören.
desire is hunger is the fire I breathe
+++
Sehr seltsam hingegen ist Folgendes: Im Beileger
Zeitmagazin ist ein Hinweis auf das Foto, dass von Margot Käßmann 2 Monate zuvor in der Rubrik: "Ich habe einen Traum"abgebildet war (ein schönes Foto mit geschlossenen Augen, wie so häufig, dort) und das in diversen Tageszeitungen abgedruckt wurde, auch und gerade dann im Zusammenhang mit ihrem Rücktritt.
Im zweiten Beileger der Zeit diese Woche, dem
chrismon (das evangelische Magazin, das monatlich erscheint), findet sich auf Seite 10 die übliche Kolumne von Frau Käßmann "auf ein Wort", in der es um Staatsverschuldung geht. Unter ihrem Foto dort steht:
Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann ist Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Herausgeberin ds Magazins chrismon
Hey, mir ist schon klar, dass es so etwas wie Druckschluss gibt und auch, dass Frau Käßmann momentan vermutlich viel um die Ohren hat. Ich will hier auch nicht ihren Rücktritt diskutieren, dass ist ihre ureigenste Entscheidung, auch wenn ich es schade fand.
Aber meiner Erinnerung nach ist der Rücktritt auf den 24.02.datiert und die dieswöchige Zeit-Ausgabe auf den 11.03.. Und sie ist Herausgeberin.
+++
Via
Jens Scholz mal in den
125 Rare Photos of Famous People gestöbert.
Und mich erinnert, dass ich mal meine Favoritenliste von Fotographen der
Fotocommunity verlinken wollte, die ist zwar uralt, aber Bilder sind ja auch zeitlos. Zu vielen finden sich keine Seiten (mehr), ein paar sind außerhalb im Netz aber zu finden:
Arkadius Zagrabski, der sehr düstere, eigenwillige Architektur- und Landschaftsaufnahmen macht - und, wenn ich mich recht erinnere, erst vor ein paar Jahren überhaupt anfing, zu fotografieren. Dafür hat er jetzt schon ordentlich Publikationen und Preise vorzuweisen.
Ein wunderschönes Projekt:
Faces | Cities, mitinitiert, wenn ich das (wieder) richtig erinnere, von
Hannes Caspar, dessen Bilder ich mir alle an die Wand hängen würde und der für mich der beste Fotograf in der Community war.
Vielseitig, anders und besonders bei den Akt- und Portraitfotos meistens so
dran, dass man sofort Modell
stehen werden wollte.
Nicht zu vergessen, die
persona non grata, den ich sehr schätze wegen seiner sensiblen Frauenportraits.
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DLF kann man ja ganz gut hören. Kann man mal machen. Sogar nebenbei. Gestern Abend kam ein Beitrag über Erich Fromm, danach duchaus hörenswerte Nachtkonzerte, bis endlich! gegen vier Uhr morgens das Licht in Fräulein L.s Schlafgemach erlosch.
Süße Träume umfingen mich, bis gegen 135 Minuten später plötzlich etwas aus den Lautsprechern kam, was ich nicht zuordnen konnte und nicht hören wollte. "Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz" und es brauchte fünf Anläufe, bis ich erkannte, dass ich wieder vergessen hatte, die Weckfunktion abzustellen und dass mir die "Geistliche Musik" am Sonntag auf DLF oftmals nicht zusagt.
Nach mühseligem Wiedereinschlafen, klingelt dann nochmal 120 Minuten später das Telefon, weil ich das auch wieder nicht leise gestellt habe. Und ich begehe den selben Fehler wie immer; anstatt folgerichtig zu denken: Eyh, ist ist kurz nach acht. Am Sonntag! Habt ihr sie noch alle? denkt mein verschlafenes Ich: Hui. So früh. Könnte wichtig sein. Geh mal ran.
Er: "Du hörst dich ein bisschen müde an."
Ich: "Ja, bin ich auch. Ein bisschen."
Er: "Ja, hört man ein bisschen."
Ich: "Redundanz ist ja ein Hauptmerkmal des gesprochenen Wortes."
Er: "Geschwürninbrütz?"
Ich: "Ist das jetzt das Einzige, weswegen du mich um kurz nach acht aus dem Bett holst?!"
Er (pikiert): "Nein, ich wollte nur mal wieder hören, wie es dir so geht."
Ich: "Müde. Ein bisschen."
Mein Lebensmensch beendet seine Anrufe ja seit Jahr und Tag mit der schmissigen Abschiedformel: "Tschö dann, bis die Tage, leg dich wieder hin!", aber ich krempel die Ärmel hoch und sage: "Okay Tag, du willst es, du kriegst es. Bis einer heult."
In diesem Sinne.
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Warum ich mir beim stundenlangen Netzgelese die zarte geschundene Hüfte weiter auf dem Stuhl malträtiere, obwohl ich mich behaglich dank Schlepptopp und W-Lan in meiner Kissenburg räkeln könnte, können Sie mir jetzt aber auch wieder nicht erklären, stimmt's?
doloris am 14. März 2010, 02:20
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Blödheiten, 2.0
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Ein Text von einem anderen Tag, ein Metatext auch: Fräulein L. outet sich
Also, wenn Sie
Musikfaschist mit Überzeugung sind, vorhatten, mich zu ehelichen oder beizuschlafen oder auf ein Bier einzuladen, und nur ein kleiner Hauch Hoffnung besteht, dass dieses Ansinnen wohlwollend aufgenommen würde, eher so der
Twitter-Mensch mit einem Horror vor langen Texten sind - eine deutliche Bitte:
Nicht weiterlesen!
Allen anderen ein freundliches
Hallo im investigativen Dunkel, dem Ort, wo Geheimnisse gelüftet,
Höschen Schleier zerrissen und gnadenlose, grell ausleuchtende Wahrheitsliebe herrscht.
Das Fräulein L. ist - das müssen Sie mir, da Sie mich ja nicht so kennen, einfach mal glauben - eine Freundin des Feinen, ein Genussmensch also, auch und besonders, was Musik angeht.
Hauptsächlich hört sie so eher Chartfernes aus den Bereichen Soul, Jazz, Blues, Rock, (Post-)Punk, Indipendent, Alternative und sehr viel Klassik. Auch anderes, diese Kategorien sind ja, nunja.
Aufgewachsen ist sie mit einer bunten Mischung. Gediegene Sachen, die man heute auch besitzt und niemals verstecken würde:
Joan Baez, Bob Dylan, Leonhard Cohen, Neil Diamond, Georges Moustaki, Jaques Brel, Hannes Wader, Léo Ferré, Herman van Veen, Pete Seeger, Glen Campbell und einige andere -
Liedermacher also allesamt, für die sie selbst eine tiefe Liebe pflegt.
Die waren von der tieftraurigen, intellektuellen Mutter in diese seltsame Verbindung eingebracht und - bedingt durch die 10/12 monatige Abwesenheit des Vaters in der Kindheit, auch am häufigsten eingeprägt.
Und dann gab es die
Kassetten. Aufgenommen vom Vater an seinem selbstgewählten Arbeits-Exil, triefend von Kitsch und Sentiment und Selbstmitleid,
Schlagerkassetten.
Meine Mutter, die diesen Mann, der er damals war*, unerklärlicherweise abgöttisch geliebt hat, spielte diese Kassetten
immer, den ganzen Tag hoch und runter, wenn er auf einem seiner seltenen Monatsbesuche war und häufig genug auch dazwischen. Sie war auch nah dem Sentiment, aber manchmal denke ich, seine Gefühle hat sie sich nur über seine kitschige Musik gezogen.
Nachts, wenn alles schläft, solltest du bei mir sein, Sie sind im Bilde. Die Ironie an derlei Texten und der Situation, kann ihm eigentlich nicht entgangen sein, intelligent wie er ist, aber gut.
Als Kind fand man das toll, eingängige Texte, deutsch natürlich, leicht mitzusingen - wenn ich sehe, wieviel Spaß meine kleine Mini-Nichte beim Singen von Kinderliedern hat, ist das klipperklar.
Sie sind auch ein Stück Kindheit, eines der wenigen, da mein gnädiges Gedächtnis mir die meisten Teile sperrt. Und ich hatte diesen Teil auch schon verschütt gewähnt, als mich eines Tages der Ruf meiner großen Schwester ereilte:
Die M. hat Geburtstag, einen großen Runden; wollen wir da neben haufenweisen, reizenden Geschenken nicht auch was ganz Ausgefallenes machen?
Daraufhin wurde beratschlagt, verworfen, also - neudeutsch -
gebrainstormt, bis die Synapsen keuchten und am Ende stand ein verwegener Plan: Wäre es zu schaffen, für die M. diese längst geschredderten Kassetten wieder neu zusammen zu bringen, würden uns also mindestens die runde Zahl des Burzeltages noch an Liedern einfallen?
Und würde ich sie beschaffen können? Alsgleich ging man die Verwirklichung; nach unsrem Überschlagen gab es ca. 150 Lieder auf diesen Kassetten in Summe. Dann traf man sich, die große Schwester, die ja schon damals größer war, erinnerte aus dem Stand schon mal 15-20, die mir nie eingefallen wären; man summte und sang sich einzelne Passagen, Melodien vor, nächtlenag; das Fräulein L. notierte jedes Fitzelchen akribsch, recherchiert tagelang, wälzte Chartlisten deutschen Liedgutes aus 5 Jahrzenten, trieb sich in einschlägigen Foren und Musikkaufstationen herum, denn es gab ein großes, großes Hindernis: Das mussten selbstverständlich
exakt die Versionen sein, die man kannte. Wenn schon, denn schon. Und das war mehr als schwierig, aber nach geraumer Zeit war es vollbracht.
Mehr als 90 hatten wir gefunden, von einigen ließ sich keine Version mehr auftreiben, von manchen nur die falsche, aber die angestrebte Zahl hatten wir trotzdem locker aus dem Stand übersprungen. Das Fräulein L. verwurstete das liebevoll in mühseliger Kleinarbeit in gepresste Formen; mein immerwährender Dank gilt meinen Kollegen, die es klaglos ertrugen, dass ich während dieser Zeit auf Arbeit ständig Schlager summte oder sang. Gut, seitdem gelte ich als
noch seltsamer, aber ich habe intern ja sowieso den Namen
Emily the Strange, außerdem ficht das Fräulein sowas ja nicht an.
Und das war eine Freude und ein Hallo, dafür hat es sich schon gelohnt. Aber um jetzt den dramatisch schwellenden Spannungsbogen mal abzubiegen, also mal zum schlimmen Teil zu kommen: Diese Lieder befinden sich selbstverständlich noch auf meinen Computern und Festplatten, dafür habe ich ja schließlich bezahlt und wer weiß, ob da nicht mal nachgeschossen werden muss. Und jetzt also kommt's,
psssst: Das Fräulein L. hört die. Manchmal, also
sehr manchmal, quasi
rarely, aber eben auch nicht nie. Heimlich über Kopfhörer, damit die Nachbarn es nicht hören, niemals in Gegenwart anderer und immer etwas bestürzt.
Und wenn dann also das Fräulein L, wie gestern an einem bösen Beitrag über die ersten Schuljahre schreibt, dann tippt die Maus quais eigenständig, diese geheime und versteckte Playlist an.
So und jetzt nehmen Sie ne Pille, gehen petzen und denken sich bitte was Unanständiges.
Ich geh derweil mal ein bisschen
gute Musik hören. Auf Zuruf poste ich auch gerne ein Bild dieser Playlist, soweit wollte ich im ersten Enthüllungsdrang nicht gehen.
*pfeifend ab
[*Menschen können sich ändern, sogar, wenn sie schon älter sind - mittlerweile würde ich auch den männlichen Part meines Kindheitsdramas nicht mehr eintauschen.]
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Kaskaden von Licht und Schatten, Dämonen und kichernde Engel, und Zauberwälder und schwarze Meere, die still ruhen, und dazwischen du, immer wieder du.
Ich habe seit Jahren nicht von dir geträumt. Und als ich erwachte, lief der Regen an den Scheiben herunter.
Das letzte Mal, als wir nebeneinander träumten, regnete es auch, du erwachtest und sagtest:
"Wir haben doch alles getan. Wieviel mehr muss man denn noch tun können? Und du, du hast gezaubert und ich habe immer nur geträumt, ich bin der Träumer. Vielleicht hätten wir nicht träumen sollen."
Und ich wischte den Regen weg, sachte und flüsterte:
Wenn man nicht träumt, stirbt man. Nur im Traum kann man Dämonen besiegen und zaubern. Man muss träumen und wir, wir werden auch wieder träumen, und zaubern nach einer langen traumlosen Nacht.
Aber man muss am Anfang anfangen, bei den ganz langen Geschichten.
Am Anfang, als wir im Zauberwald liefen, sagtest du:
"Ich habe heute Nacht von dir geträumt und die Nacht davor auch. Und jede Minute dazwischen." Und das Licht fiel durch die Schatten auf den Boden und tanzte um uns.
Später dann, als wir zaubern konnten, malte ich jeden deiner Schritte im Licht nach, ich schrieb:
Ich habe immer nur von dir geträumt, mein ganzes Leben schon, ich wusste es nur nicht.
Und dann sahen wir diesen Film und flüsterten:
Ich träume, also bin ich, ich träume, also bin ich, ich träume ...
Und du nahmst meine Hand und sagtest: "Ich träume dich, also bin ich ich."
Und dann liefen wir wieder durch den Zauberwald und du fragtest, ob dein Traum auch meiner sei, jetzt und hier und vielleicht für immer.
Und meine Hand hielt mein Herz und ich zählte im Takt, immer wieder:
Einmal für mich, einmal für dich, einmal für immer ...
Und sehr viel später, als der Winter in den Zauberwald kam und die Sonne nicht mehr durch die Schatten fiel, als die Schritte schwerer wurden und das zaubern nichts mehr half, schriebst du:
Ich träume nicht mehr, wir haben uns immer nur geträumt.
Und dann sahen wir einen anderen Film und weinten beide bei der Szene und ich dachte:
Können wir uns denn nur in unseren Träumen finden?
Und dann, als es ganz still wurde und wir nur noch den Regen hörten, draussen am Fenster, da sagtest du:
"Wenn du gehst, nimm ihn mit, nein nimm alle mit, bitte." Und als ich ging, versteckte ich sie, alle, für den Tag, an dem du sie suchen und brauchen würdest.
In deinem letzten Brief schriebst du:
Mein Traum ist noch hier, und du bist auch noch hier, in den Ecken, am Fenster, in jedem Spiegel und jedem Regentropfen. Hätte ich einen Wunsch frei bei der Wundermachfee, ich wünschte mir ...
Und in meinem letzten Brief an dich stand:
Ich schenke dir jeden Wunsch, den ich bei der Wundermachfee habe, solange, bis du wieder zaubern kannst.
Meine Träume blieben bei mir und deine hast du wieder gefunden; der gemeinsame liegt am Grund des stillen Meeres, aber meine Wünsche begleiten dich, bei jedem deiner Schritte, gestern, heute und bis ans Ende. Und komm mich doch mal wieder besuchen, in meinen Träumen, ich träume wieder und vielleicht erinnere ich mich dann besser, wie man zaubert.
[Blue Velvet | Roy Orbison: In dreams]
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Ein Meta-meta-Text: Ich wollte gern
aber jetzt geht es nicht mehr. Nachdem ich ziemlich lang über einem Text gebrütet habe, der mit dem eigentlichen Text für heute zu tun hatte, musste ich quasi per emotionalem Befehl, zu Hause anrufen. Bestimmmte Dinge, auch Daten und Erinnerungen klären; das ist ja schnell abgehandelt, meine Erinnerungen an meine Kindheit kann man abzählen und weil der Meta-Text von Musik handelte, mehr noch von einem Outing des Fräulein L, dachte ich auch wirklich, da sei schnell abzuhandeln.
Und zum Schluss weinte sie und meinte, dass es ihr leid tue. Und dass sie sovieles und sovieles und alles anders machen würde. Und es spaltet mir jedesmal das Herz und ich will sagen: Nein, hör auf, du warst eine tolle Mutter, aber das stimmt nicht. Sie war objektiv betrachtet nicht das Schlechteste, was man so haben kann, aber mich hat sie verkrüppelt und fast in den Tod getrieben. Und heute ist sie die beste M. aller Zeiten, das spaltet mich auch. Ich kann nicht hassen, aber ich kann auch nicht jemanden verdammen, der sich jetzt soviel Mühe gibt.
Und nein, wir wollen nicht mehr zurückschauen, aber an solchen Abenden müsste jemand im Bett liegen, warm und weich; jemand der nicht fragt und der nicht erschrickt, wenn es warm und nass wird an der Brust. Und der die Decke hochzieht und sagt: Schlaf, Liebes.
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Fehlende Bücher. Ein weißglühendes, kaltlächelndes Fräulein L. Und Bloggen 0.0
+ Prolog:
Das Fräulein L. ist - das müssen Sie mir, da Sie mich ja nicht so kennen, einfach mal glauben - vom Stamme der sanften Lämmchen. Ein friedfertiges Wesen, das keinen Streit sucht und anderen bei deren Schlichtung hilft. In Familienkreisen werde ich gern als
Mediator eingesetzt, wegen meiner Fähigkeit, alle Seiten gleichberechtigt zu betrachten, tolerant und verständnisvoll zu sein und im Zweifelsfall die Worte zu sprechen:
Jetzt ist aber mal Schlumilu1! Ab in die Ecke! Alle beide! In verschiedene Ecken! Und ihr kommt erst wieder raus, wenn ihr einseht, wie bekloppt es ist, sich wegen derlei Kleinigkeiten zu streiten!
Das funktioniert meistens erstaunlich gut; die so unterstützten Parteien nähern sich an, fallen sich wieder in die Arme, wollen sich umgehend miteinander fortpflanzen usw. In meinem Laufrad
dulde ich kein Gezicke neben mir habe ich ebenfalls einen legendären Ruf, zwischen sich annervenden Kollegen zu vermitteln, mittels magischer, zarter Worte:
Wenn jetzt hier nicht bald Schluss ist und ihr richtig miteinander redet, hol ich den Abreiß-Abmahnblock. Verdammter Kindergarten!
Zudem bringt mich so schnell mal gar nichts in Rage, um mich
richtig wütend zu machen, braucht es viel, sehr viel.
Das schicke ich jetzt nur mal voraus, damit Sie sich ein präzises Bild meines menschenfreundlichen, sanften Wesens machen können.
+ Dieser Teil zwischen Prolog und Epilog, der/die/das Log also:
Wenn man wie ich, morgens eher unausgeschlafen und hypokoffeinetisch ist und nur per Autopilot seine Bahnen zieht, wenn man zudem
reichlich ein klitzekleines bisschen zu spät dran ist, weil man das Weckerklingeln kopftechnisch nicht vertaktet hat mit:
Ah, Wecker. Aufstehen., sondern mit
Boah, Wecker. Wieso tut datt Ding? Und dann auch noch so nervig? AUES!!! *patsch, dann ist man ein Müh neben der Spur, also ich. Dass ich das
GeSchlüTe (Geldbörse/Schlüssel/Telefon) dann nicht vergesse, liegt nur an mehreren, schmerzhaften Erlebnissen, von denen hier keine Rede sein soll.
Und dann saust das Fräulein L. also die Treppen runter, fegt über den Hinterhof und
rennt läuft gen U-Bahn. Multitaskisch versucht sie einerseits, die Uhrzeit zu sehen, die Jacke richtig zuzumachen, die Ohrstöpsel in die Ohren zu stöpseln und mit der linken Hand wühlt sie im Arbeitstäschen, ob sie auch die momentan gelesenen Bücher (Schlink:
Die Heimkehr | Zafón:
Der Schatten des Windes | Curtis:
Touching from a Distance (keine Amazonas-Links hier, blöde Werbung das.)) eingesteckt hat - man weiß ja nie, nach welchem einem plötzlich so ist. Und die Hand taucht nach etlichen Sekunden wieder auf: Leer. Fassungslos reißt Fräulein L. die Tasche auf und schaut und schaut, aber in
dieser Tasche befinden sich genau null Bücher. In drastischen Zeichen: 0.
(Die beiden
Schreibbücher zählen natürlich nciht.)
Das ist mir das letzte Mal mit 5 passiert oder so. Und selbst wenn ich nicht jeden Morgen oder Abend in der Bahn lese, ich bitte Sie, muss man doch die
Möglichkeit haben, falls einen spontan die Lust anspringt.
Hektisches Gerechne:
Wenn ich jetzt zurückrennelaufe, die Bücher hole und wieder los, dann kriege ich den Zug nicht mehr und dann komme ich wirklich zu spät.
Mistmist. Also buchlos. Damit war ich schlagartig hellwach, bemerkte auch plötzlich den grauen Himmel und den Schneeregen und meine Sonnenschein-Laune trübte sich sehr leicht.
Dann biege ich - wieder schneller werdend - um die Ecke, bemerke auch langsam die Schmierigkeit des Belages und die alte Dame, die es just vor meiner Nase umsäbelt. Noch im Fallen sah ich, dass sie, im Gegensatz zu manchen Bloggern, die ich hier nicht bloßstellen möchte, nicht vorhatte, mit dem Gesicht zu bremsen, sondern ihr Täschchen fliegen ließ, um sich mit den Armen abzufangen. Den Rest der Energie gedachte sie wohl auf ihre knochige Hüfte zu nehmen, es formte sich ein Gedanke, der ausgeschrieben so aussieht:
Oh nein! Oberschenkelhalsalarm!, bis
Oh, kam ich noch, dann lag sie. Und war natürlich tüchtig geschockt und mehr dann noch, als sie merkte, dass sie nicht mehr hochkam, weil nämlich mit dem rechten Bein gar nichts mehr ging. Ich zückte also folgerichtig das Rufgerät und rief Hilfe herbei, deutlicher Hinweis auf die Art der Symptome und die Verdachtsdiagnose. "Sindse vom Fach oda wie?", fragt der Leitstellenheini. "Ja", sag ich.
"Na denn is ja jut, wa?"
Zehn Minuten später (lassen die sich etxra Zeit, wenn jemand
vom Fach da ist?) kommen die Orangenen und ich denke:
Prima, kann nicht mal einer vom DRK kommen, müssen das immer diese Vollpfosten sein, das wird doch wieder ein Gezerre mit denen. Aber: Sei lieb, sei Lämmchen, vielleicht sind die Spacken ja kompetent und nett.
Ich lächelte also liebreizend, mache den
stiernackigen, stumpfblickenden Idioten Quasi-Ex-Kollegen eine bildschöne Übergabe und wähne mein Karmakonto wieder im grünen Bereich.
Horst 1 geht also folgerichtig zum Auto, macht auf und schickt sich an, den Stuhl raus zu holen. Ich gehe zu ihm und bin noch liebreizender und sage: "Sie transportieren sie aber schon auf der Trage, richtig?"
Der Horst glotzt.
"Weil", sage ich, "sie liegt ja schon, zudem gibt eine glasklare Verdachts-Diagnose, die einen sitzenden Transport ausschließt."
Der Horst glotzt. Und sagt: "Wir müssen doch nur umme Ecke." und nestelt weiter am Tragestuhl. Sanft wie ein Lamm sage ich: "Ich weiß", und weiter zuckersüß: "und ich weiß auch, dass Sie nach einem Transport auf der Trage dieselbe desinfizieren müssen, das dauert. Streng genommen, nicht wahr, müsste diese reizende, alte Dame sogar in einer Vakuummatratze transportiert werden, idealerweise durch Analgetika, verabreicht duch einen Arzt, ihrer Schmerzen entledigt."
Der Horst glotzt. Und sagt: "Eyh, wir fahr die doch in dit nächste Krankenhaus."
Ich denke an mein Karmakonto und mein friedfertiges Wesen, also sage ich
nicht: "Hör mal, du beschissenes Exemplar von einer Sumpfmorchel, ich würde dir jetzt gern was brechen und dann ne Weile mit dir spazierenfahren", sondern ich lächele und sage: "Die Frau hat Schmerzen. Liegend geht es. Wenn Sie sie hinsetzen, wird das
richtig schlimm, außerdem ist das grob fahrlässig, weil - wenn sie einen OSHB hat, dann kann sie sich gleich noch viel mehr wegholen im Stuhl."
Der Horst glotzt. Und sagt: "Mann, dit sind doch nur paar Meter inne Klinik."
Ich, innerlich:
Lämmchen, Lämmchen!, Lämmchen!!!, spüre jedoch zu meinem Leidwesen, dass ich ein fast weißglühendes Lämmchen bin.
Karma, Baby, sage ich mir.
Kaltlächelnd trete ich auf 30cm an sein Gesicht heran und sage:
Höre, junger Freund"Jetzt hören Sie mir mal
ganz genau zu, junger Mann (den Satz wollte ich schon bringen, seit ich 18 bin), entweder Sie verbringen jetzt
diese Frau auf
diese Trage und fahren sie so schonend als möglich in ein Krankenhaus oder Sie bekommen auf der Stelle, hier vor Ort, eine Anzeige wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung von der eigens dafür von mir bestellten Polizei, unter Hinzuziehung eines eigens dafür gerufenen Arztes. Sie haben die Wahl."
Der Horst glotzt. Und fragt: "Wie meinen'se
ditt denn jetze?"
Horst 2, der die Zeichen des Sturms erkennt und 2,3 Gehirnwendungen mehr hat, sagt:
"Komm Horst, nehmen wir halt die Trage. Ick gloob, die meint dit ernst."
Ich zartes Lämmchen lächle und sage der alten Dame auf Wiedersehen, gute Besserung und nein, nichts zu danken, bedanke mich für die Kooperation bei den
Vollspacken Schlauchträgern und setze - endlich meinen Weg fort. Mittlerweile hoffnungslos zu spät für alles, aber friedfertig wie immer und mit einem berstenden Karmakonto. Kommt doch alle, kommt doch.
+ Epilog:
Meine Kollegin, der ich die Geschichte erzählte, fällt vor Lachen fast die Zigarette aus der Hand und vollends durch ist sie dann, als sie mir steckt, dass ich gar nicht zu spät bin, weil die andere Kollegin ja gar nicht da ist, ich also eine Stunde später dran wär, somit sowohl länger hätte schlafen, als auch in Ruhe Kaffee trinken, als auch an meine Bücher hätte denken können.
Ich aber denke:
Wenn ich meine Bücher dabeigehabt hätte, könnte ich aber niemals dieses schöne Foto vom Bloggen 0.0 bringen, das Bloggen auf Papier, im Zug. Und mein Karmakonto wär nicht so schön prall.
1 Das wolltest du aus deinem Wortschatz streichen! Aber zackich jetze!